Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
gestorben war. Bis sie die Ergebnisse der restlichen Proben erhielten, die Margareta ins Labor geschickt hatte, würde es noch eine Weile dauern. Sie öffnete das Protokoll über den Kopf in Frau Wilsons Garten. Es enthielt nicht viele Erklärungen, aber eine stach wirklich heraus. Als Margareta zu den inneren Teilen des Gehirns gelangt war, hatte sie eine ungewöhnlich niedrige Temperatur festgestellt. So niedrig, dass Margareta eine Abweichung vom Normalen notiert hatte. Normal? Karin schüttelte den Kopf über die Wortwahl in dem makaberen Bericht. In diesem Fall gab es wenige Dinge, die normal waren. Ganz tief im Innern war das Hirn gefroren gewesen. Margareta hatte die Temperatur mit einem Ausrufungszeichen versehen. In der Hoffnung, Jerker würde Spuren sichern können, hatten Robban und sie die Tüte, die Hedvig Strandberg über den Kopf gestülpt hatte, nicht angerührt. Ansonsten hätten sie wahrscheinlich gleich gesehen, dass der Kopf gefroren war und nun allmählich auftaute. Karin schauderte.
Als sie im Flur einen erbosten Wortwechsel hörte, blickte sie auf. Beide Stimmen waren ihr vertraut. Die eineklang jung und hitzig, die andere, ältere, bediente sich eines ruhigeren Tonfalls.
»Verdammt noch mal, Folke«, zischte Robban, »ich werde mich doch wenigstens an meinen Schreibtisch setzen dürfen, bevor du wieder damit anfängst.«
»Ich versuche dir lediglich in aller Freundlichkeit zu erklären, dass es regelrecht falsch ist, sich so auszudrücken wie du. Im Radiosender P1 gibt es eine interessante Sendung über Sprache. Dort werden solche Dinge aufgegriffen …«
»Ist ja gut«, brummte Robban. »Ich gebe mich geschlagen.«
Karin nutzte die Gelegenheit, um sich zu Wort zu melden. »Wenn der Kopf und der Körper vom selben Individuum stammten, hätten wir es nur mit einem Mord zu tun.« Sie wartete auf die Wirkung ihrer Worte.
»Was?«, fragte Robban. Folke drehte sich zu ihr um.
»Was sagst du da? Stammen sie denn von zwei verschiedenen Personen?«
Karin nickte.
»Und damit nicht genug. Der Kopf scheint tiefgefroren gewesen zu sein, und daher lässt sich, wenn überhaupt, nur schwer sagen, seit wann die Frau tot ist. Ich habe Margaretas Gutachten eben erst überflogen. Ihr habt es per E-Mail bekommen.«
»Tiefgefroren«, murmelte Robban nachdenklich und schaltete seinen Computer ein. Dann wandte er sich an Folke. »Ich hatte mir eigentlich einen Kaffee holen wollen. Möchtest du auch einen?«
»Du
wolltest
dir einen holen.«
»Nein, ich hatte mir einen holen wollen, aber dann hast du angefangen, mich zu korrigieren. Jetzt kannst du selbst gehen.« Robban wendete sich ab und trottete zum Pausenraum.
»Ich muss das Ganze in Ruhe durchlesen«, sagte Karin. »Ich hatte nur gesehen, dass der Kopf tiefgefroren war, als ich dich und Robban kommen hörte.«
»Redet ihr über mich?« Robban tauchte mit zwei Kaffeebechern wieder auf und stellte den einen auf Folkes Schreibtisch. Der sah ihn verwundert an.
»Ganz genau«, grinste Robban zufrieden. »Wenn ich nicht so ein umgänglicher Kollege wäre, hätte ich es mir verkniffen, dir einen Kaffee mitzubringen.«
»Hört jetzt auf.« Karin legte ihren Kugelschreiber auf den Schreibtisch. »Es ist noch nicht mal acht Uhr, und ich kann mir das nicht den ganzen Tag anhören.«
Sie öffnete den Bericht, mit dem sie am Freitag angefangen hatte. Ihre Finger flogen über die Tasten und fügten die neuen Informationen hinzu.
»Morgenandacht.« Folke zeigte auf die Uhr an der Wand und nahm Kaffeebecher, Notizblock, Stift und Handy mit. Robban folgte ihm.
»Los, Karin, du weißt doch, was Carsten davon hält, wenn wir zu spät kommen«, sagte Robban.
»Das kann er nämlich gar nicht
verknusen
«, fügte Folke verschmitzt hinzu, weil er sich so über das seltene Wort freute.
Karin las ihren Bericht noch einmal durch und ergänzte weitere Details, die teilweise aus Margaretas Obduktionsbericht stammten und teilweise auf eigenen Beobachtungen beruhten. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr: eine Minute vor acht. Schnell loggte sie sich ins Register des polizeilichen Nachrichtendienstes ein. Hier konnte man verschiedene Fälle vergleichen. Die erste Seite bestand aus drei Fotos. Von einem Gutshof in Halland war eine wertvolle Kommode gestohlen worden. Dem exklusiven Weinkeller eines Restaurants im Zentrum von Göteborg war in der Nacht zum Montag ein Besuch abgestattetworden, und in Onsala war ein Einfamilienhaus abgebrannt.
»Opferplatz, Enthauptung,
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