Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
der Hand hielt und immer schon wusste, was er fragen wollte.
»Wir haben Anlass zu der Vermutung, dass mehrere der Beteiligten eine Verbindung zu dir haben.«
»Wie das?«
»Darauf kann ich leider nicht näher eingehen.« Robban lächelte.
»Kannst du nicht, oder willst du nicht?« Marianne winkte ab. »Ich verstehe das schon.«
Lass dich nicht aus dem Konzept bringen, dachte Robban und grinste weiter.
»Kannst du mir noch mehr verraten? Wenn du mir Namen nennst, kann ich dir vielleicht sagen, welche Kurse die betreffenden Personen hier besucht haben und wofür sie sich interessieren.«
Robban überlegte, ob er der Frau Namen nennen sollte. Umgekehrt wäre es besser gewesen. Lieber hätte er Einblick in ihre Kartei gehabt und eine Liste aller Menschen eingesehen, die einen gewissen Kurs belegt hatten. Vorausgesetzt, es gab eine solche Kartei mit echten Namen, und sie führte überhaupt Teilnehmerlisten, die vom Finanzamt anerkannt wurden.
»Wer kommt denn zu euch?«, fragte er stattdessen.
»Suchende. Menschen, die sich nach dem Sinn des Lebens fragen. Manchmal, nachdem sie von einer Krankheit erfahren haben oder nach einem Bruch wie zum Beispiel einer Scheidung. Meistens haben sie die Antworten in sich. Wir helfen ihnen, indem wir sie aus ihnen herauslocken.«
»Und wie?«
»Unter anderem durch die Kurse, die wir anbieten. Ab nächsten Freitag werde ich zum Beispiel einen viertägigen Kurs in Glastonbury abhalten, einen ›Guide zu dir selbst‹. Ziel ist es, dass die Teilnehmer ihr wahres Ich finden, ihre innere Stimme hören. Jeder hat viel Material über sich eingeschickt. Im Laufe der Woche werde ich mich vorbereiten, indem ich mich in die Lebenssituationen einlese und mir Gedanken über ihre Erwartungen an den Kurs mache. Dann ziehe ich mich zum Meditieren zurück und spreche ein paar Tage lang kein Wort. Ich sammle Kraft. Niemand darf mich stören. Das lässt sich nur bewerkstelligen, wenn mein Aufenthaltsort geheim ist. Wir sind von zu viel Rauschen umgeben. Unser innerer Kompass verkraftet all diese Störungen nicht.«
Robban lächelte in sich hinein, weil sein Leben als Vater von Kleinkindern und als Kriminalkommissar ein wenig anders aussah als das von Marianne.
»Aha.« Er überlegte, welche Frage er überhaupt gestellt hatte.
»Eigenzeit und der Frieden mit sich selbst sind die Schlüssel zum eigenen Weg. Die Teilnehmer haben einen ganzen Tag, um schweigend auf sich selbst zu hören und ihre Kernfragen zu entdecken.«
»Was für Fragen sind das? Und was für Antworten?«
»Oh, das kann alles Mögliche sein. Manche möchten in Kontakt mit verstorbenen Angehörigen kommen, und einige wünschen sich mehr Sinn in ihrem Leben. Manchmal sind die Antworten woanders zu finden, auf einer anderen Ebene, in einer anderen Welt.«
»Einer anderen Welt? Wie meinst du das?«, fragte Robban.
»Man öffnet sich und wird empfänglich, anstatt zu denken, alles wäre so, wie es ist. Man kann die Augen schließen und trotzdem sehen.«
»Ah ja«, erwiderte er skeptisch.
»Bist du jemals zum ersten Mal an einem Ort gewesen und hast ihn trotzdem wiedererkannt? Als würde man vor einem alten Haus stehen und wissen, wie es hinter der geschlossenen Tür aussieht?«
An genau so ein Erlebnis konnte sich Robban erinnern. Sofia und er wollten heiraten und hatten die Wahl zwischen verschiedenen Kirchen. Bei einer war die Wegbeschreibung mangelhaft, aber Robban fand sich trotzdem mühelos zurecht. Er war an jener Kreuzung nach Gefühl gefahren. Auch der Ort selbst war ihm eigenartig vorgekommen. Als wäre er schon einmal dort gewesen.
»Ich glaube nicht an solche Dinge«, antwortete er ausweichend.
»Das vielleicht nicht, aber dennoch hast du so etwas schon einmal erlebt, nicht wahr? Du hast dich an einem Ort ausgekannt, an dem du mit Sicherheit noch nie vorher gewesen warst. Wie soll man das erklären?«
»Ich nehme an, dass ich den Ort schon einmal in der Zeitung oder im Fernsehen gesehen habe.«
»Unsere Gedanken begrenzen unsere Welt. Es ist nicht gefährlich, sich ein wenig zu öffnen und ein bisschen Glauben zu wagen.«
»Nein? Wir haben da allerdings zwei tote Frauen, die anscheinend mit deinem Zentrum in Verbindung standen.« Robban fasste einen Entschluss. Er zog die Liste mit den Namen aus der Tasche und reichte sie Marianne.
»Was kannst du mir über diese Personen sagen? Ist von denen jemand bei dir gewesen?«
Marianne griff nach dem Blatt Papier, setzte sich eine Lesebrille auf die Nase und
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