Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
freitags. Nun hatten Harald Bodin und Börje Broberg das ganze Wochenende Zeit, um sich zu fragen, ob sie nicht etwas vergessen hatten. Die Frage war nur, ob Carsten gleich hinfahren oder einfach anrufen sollte. Er warf einen Blick auf die Uhr und kam zu dem Schluss, dass er die Sache gut auf dem Heimweg nach Torslanda erledigen konnte.
Als Folke sich nach dem Besuch im geistigen Zentrum wieder im Polizeigebäude befand, schüttelte er den Kopf. So ein Unsinn, dachte er, und wandte sich den Ordnern und dem schwarzen Besucherverzeichnis aus dem Stadtmuseum zu. Vielleicht fanden sie hier eine Antwort auf die Frage, wie das Henkersschwert hatte verschwinden können. Falls es sich überhaupt um die Mordwaffe handelte, doch die Rechtsmedizinerin hatte nach einem ersten Eindruck immerhin mitgeteilt, dass dies nicht undenkbar sei. Nach all den seltsamen Begegnungen war es ein richtig schönes Gefühl, wieder Papierkram erledigen zu dürfen, auch wenn er Berge von Material durchgehen musste.
Wie üblich begann Folke damit, sich ein System zu überlegen, nach dem er das Material ordnen konnte. Eine Tabelle für Daten, eine für die Namen derjenigen, die eineAnfrage an das Stadtmuseum gestellt hatten, und eine Tabelle für den jeweiligen Gegenstand. Neben dem Gegenstand standen die Kategorie und die Signatur sowie der Name des verantwortlichen Sammlungsleiters. Fein säuberlich und übersichtlich. Allmählich füllte sich die Liste. Er warf einen Blick auf die Uhr. Es war Zeit, Feierabend zu machen, aber da seine Frau Vivan übers Wochenende zu ihrer Schwester gefahren war, konnte er den ganzen Kram auch mit nach Hause nehmen und dort weiterarbeiten. Er hatte die Hälfte der Unterlagen in seine braune Aktentasche gestopft, als er merkte, dass nicht alles hineinpassen würde und er stattdessen alles in den Karton vom Stadtmuseum packen musste. Die Aktentasche legte er obendrauf. Er schleppte die Kiste bis zum Fahrstuhl, nickte einigen der Kollegen zu und wünschte allen ein angenehmes Wochenende.
12
Sara saß am Küchentisch und betrachtete die Texte, die neben einer Karte der Insel auf dem Tisch ausgebreitet waren. Ein Rundgang durch die Stadt. Eine schöne Wanderung über Marstrandsön. Eine Weile hatte sie vorgehabt, beide Inseln zu zeigen, doch dann fiel ihr ein, dass es mit der Fähre und den nötigen Fußwegen zu kompliziert geworden wäre. Besser, sie beließ es bei einem Spaziergang auf Marstrandsön selbst und zeigte den Gästen von dort aus Koön und vielleicht auch Klöverön.
Sie hatte sich Stichpunkte auf dickerem Papier im DIN-A5-Format notiert. Die Aufzeichnungen lagen nun zusammen mit der Materialsammlung, auf die sie bei Bedarf zurückgreifen konnte, in einer Klarsichthülle. Sie hatte alte Dokumente fotokopiert, die in schöner verschnörkelter Handschrift abgefasst und mit roten Siegeln versehen waren, hatte Fotos von früher aus versteckten Winkeln des Heimatvereins gekramt, sich in die Geschichte beider Inseln eingelesen und sich über die Heringsperioden und nicht zuletzt die älteren Gebäude informiert.
Die Frage war, ob sie die Führung selbst machen oder Lycke überlassen sollte. Was, wenn sie mittendrin eine Panikattacke bekam? Oder in Ohnmacht fiel? Einmal war ihr das bei der Arbeit passiert. Sie packte alles in eine Mappe und stand auf. Nein, sie musste das Material zu Lycke bringen und ihr den Aufbau der Führung erklären.
Sara schlüpfte in ihre Jacke und ging nach nebenan.
»Hallo, komm rein. Möchtest du einen Kaffee?«
Sara behielt die Jacke an und hatte die Einladung eigentlich ablehnen wollen, hörte sich aber selbst sagen, siewolle gern einen Augenblick bleiben. Sie legte die Mappe mit der Materialsammlung beiseite und setzte sich auf die gestreifte Küchenbank.
»Mit der Renovierung seid ihr weit gekommen. Es wird richtig schön!«
»Danke. Du warst schon länger nicht mehr hier.«
»Ein halbes Jahr, glaube ich. Im Frühjahr beim Weiberabend, weißt du noch?«
Lycke deutete auf die Mappe, die Sara mitgebracht hatte. »Was ist das?«
»Der Rundgang. Ich glaube, es ist besser, wenn du es machst. Ich schaffe das einfach nicht.« Sara spürte Tränen in sich aufsteigen und räusperte sich. »Diese bescheuerte Heulerei. Wenn das doch endlich aufhören würde!«
Lycke hatte gerade Milch aufgeschäumt und reichte Sara einen Latte macchiato.
»Es braucht eben Zeit.«
»Erklär das mal der Krankenkasse.«
»Entschuldige, Sara, ich habe es nicht so gemeint.«
»Ach was,
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