Die Tote im Badehaus
Hügel hinunter bis zu dem Laden gelaufen, als der Windom neben mir hielt.
»Er hat mich gesehen!« Ich ließ mich mit den zerrissenen Mülltüten in den Sitz fallen.
»Wer? Was? Und weshalb bist du losgerast wie eine Verrückte, gerade, als ich ankam?«
»Nakamura! Er ist in dem weißen Mercedes gekommen. Ich dachte, du hättest ihn gesehen.«
»Das Auto hat die Straße blockiert. Ich bin nicht durchgekommen, deshalb habe ich den Rückwärtsgang eingelegt. Ich habe überhaupt nicht gedacht …«
»Er hat mich von hinten gesehen. Vielleicht glaubt er, daß die Putzfrau nur schüchtern war. Jedenfalls ist das Haus sauber«, fügte ich niedergeschlagen hinzu.
»Stimmt. Wir dürfen jetzt nicht panisch werden«, sagte Hugh, als müsse er sich selbst überzeugen, während er knapp vor den entgegenkommenden Autos gefährlich nach rechts abbog. Ich schrie, schloß die Augen und öffnete sie erst wieder, als er auf der Mautstraße war und den Tempomaten bei achtundneunzig Stundenkilometer eingeschaltet hatte.
»Das war eine Falle«, verkündete ich. »Die Putzfrau muß ihm verraten haben, daß wir kommen. Oder deine Sekretärin, Hikari.«
Hugh schüttelte den Kopf und schwieg. Lange hielt ich es nicht aus und schaltete das Radio ein.
»Entschuldige mal«, bellte Hugh und drehte J-WAVE ab. Er war offenbar ziemlich mitgenommen. Nun gut, er hatte schließlich mehr zu verlieren als ich.
Nach fünfzehn Minuten nahm er die linke Hand vom Lenkrad und schloß sie über meiner rechten. Wahrscheinlich wollte er sich entschuldigen oder brauchte Trost. Ich erwiderte den Druck seiner Hand und wollte dann loslassen. Doch er strich über meinen Ringfinger.
»Was ist denn das?« Er wandte den Blick einen Moment lang von der Straße ab.
»Den habe ich zu Weihnachten bekommen.« Es war ein moderner Ring aus Sterlingsilber mit eingelegtem Onyx und Perlmutt, den mir meine Mutter geschickt hatte.
»Warum hast du ihn in Shiroyama nicht getragen?«
»Ich nehme nichts Wertvolles mit, wenn ich verreise.«
Hugh legte die Hand wieder auf das Lenkrad. Ich blickte aus dem Fenster und betrachtete die Nadelbäume und Berge, die langsam den Wolkenkratzern und Fabriken wichen. Als der Shuto Expressway näher kam, las ich ihm die Streckenangaben vor, die wir vor unserem Ausflug aufgeschrieben hatten.
»Ab hier kenne ich mich aus, danke«, sagte er kurz.
Es war schon dunkel, als wir wieder bei Roppongi Hills ankamen, wo sich vorm Eingang ein kleiner Stau von Pressewagen gebildet hatte. Hugh raste vorbei und wollte in die Garageneinfahrt einbiegen. Aber ein junger Mann, der an der Einfahrt gewartet hatte, richtete eine Kamera auf uns und schlüpfte unter dem hochgehenden Tor hindurch. Hugh stieß mit einem fürchterlichen Quietschen zurück und schoß durch eine enge Straße.
»Laß mich bitte in der Nähe eines Bahnhofs raus, ja? Ich fahre allein nach Hause.« Sein Fahrstil mußte notgedrungen zu einer Festnahme führen, und damit wollte ich nichts zu tun haben.
»Und was ist mit mir? Ich kann jetzt stundenlang nicht nach Hause, und ich bin nicht in der Stimmung, in Roppongi etwas trinken zu gehen. Dort erkennt man mein trauriges ausländisches Gesicht überall.« Seine Trostlosigkeit erinnerte mich an den Neujahrstag, wo er ganz allein in der Bar gesessen hatte.
»Du könntest es mal in einem richtig miesen Viertel wie meinem versuchen«, schlug ich vor. Eigentlich erwartete ich einen abfälligen Kommentar über die heruntergekommene Gegend.
»Gute Idee. Wir könnten die Zeit totschlagen, indem wir die Telefonbücher durchgehen.« Hugh klang nachdenklich.
»Das hört sich ja echt gut an.« Ich gähnte, als ich an die gewaltige Aufgabe dachte, die vor uns lag.
»Darling, willst du damit sagen, daß du lieber etwas anderes tun würdest?«
»Das will ich nicht, und du bist nur unter ganz bestimmten Bedingungen eingeladen«, warnte ich ihn.
»Und was sind das für Bedingungen?« Er schien amüsiert.
»Erstens mußt du fahren wie ein gesetzestreuer Mensch. Und zweitens, der einzige, der hier Darling genannt wird, ist Richard, okay?«
23
Augenscheinlich in froher Erwartung steckte Richard den Kopf aus der Wohnungstür, als ich Hugh nach oben half. Er wollte mir meinen Parka abnehmen und schnappte unwillkürlich nach Luft, als er die Zimmermädchenkluft sah, die ich immer noch trug.
»Ja, ja, es gibt nichts Schöneres, als seine Phantasien auszuleben.«
»Wo ist Mariko?« Ich zog die Schuhe aus und bedeutete Hugh, dasselbe zu
Weitere Kostenlose Bücher