Die Tote im Badehaus
mußte.
Japanische Küchen waren fürchterlich. Ich war immer wieder überrascht, daß die peinliche Hygiene, die auf den menschlichen Körper angewendet wurde, keinen Eingang in den Bereich gefunden hatte, wo man das Essen zubereitete. Die kleine Spüle und die Arbeitsfläche in der Küche der Nakamuras waren verschmiert. Die Hängeschränke hatten einen Fettfilm und waren wüst mit Schachteln und Gläsern vollgestopft. Auf den Schränken standen Mixer und andere elektrische Haushaltsgeräte, deren Kabel herunterhingen und Unfälle geradezu herausforderten. Das Trockengestell war mit einem gefährlichen Aufbau von Geschirr und Besteck überladen; eine falsche Bewegung, und alles konnte herunterkrachen.
Ich schaltete den Boiler ein, um meinen Eimer zu füllen. Als ich den matten Linoleumboden betrachtete, fiel mein Blick auf ein metallumrandetes Viereck in der Mitte. Die yukashita, ein Vorratsfach im Fußboden, war ein erstklassiges Versteck. In meiner Küche verstaute ich dort Leckerbissen, die Richard nicht finden sollte.
Ich hob den Deckel und blickte in ein ordentliches Fach, das einen Napf Miso und einen Sack Zwiebeln enthielt. Außerdem sah ich noch eine ziemlich große, tote Spinne, die meinen Atem etwas beschleunigte. Ich knallte schnell wieder den Deckel drauf.
Ich durchsuchte die Schränke, fand aber keine Geheimnisse, sondern nur genügend Platz, um das Geschirr aufzuräumen. Ich war gerade dabei, alles mit viel Spülmittel abzuwischen, als es an der Tür klingelte.
Ich öffnete die Hintertür einen Spalt, sah Hugh aber nirgends. Aus irgendeinem Grund mußte er zur Vordertür gegangen sein. Ich trottete zum Eingang und flüsterte eine Begrüßung in die Gegensprechanlage.
»Konnichiwa«, grüßte Hugh herzlich zurück und hielt das große Buch in die Höhe. »Die Zeugen Jehovas sind hier.«
Ich zog meine Schuhe an und ging mit gesenktem Kopf nach draußen. Dort verneigte ich mich, öffnete das Tor und ließ ihn hinein.
»Ein paar Hausfrauen haben mich bemerkt, als ich das Auto geparkt habe, deshalb dachte ich, es ist besser, auf der Hauptstraße zu bleiben. Ich habe eine ganze Weile gebraucht, das richtige Tor zu finden, aber ich habe den Namen über dem Briefkasten erkannt, weil das kanji dasselbe ist wie in deinem Nachnamen.«
»Mura, das bedeutet Dorf. Hast du etwa gelernt?«
»Hier drinnen kann ich meinen Atem sehen. Das ist ja wie in Shiroyama.« Hugh ging ins Eßzimmer und schaltete eine Elektroheizung an, die hoch oben an der Wand hing. Warme, trockene Luft strömte aus. »Soll ich hier anfangen?«
»Solange du auch ans Abstauben und Staubsaugen denkst.« Ich wollte unbedingt, daß er mir beim Saubermachen half. Eine halbe Stunde später, als ich mit meiner Arbeit in der Küche fertig war, kam ich zurück. Er war gerade halbherzig dabei, eine tansu abzuwischen.
»Schau mal, was in dieser Kommode ist.« Er schob die verzierte Vorderfront auf, und ein Stahlsafe kam zum Vorschein.
»Kriegst du ihn nicht auf?« fragte ich.
»Diese Art von Spion bin ich nicht.«
»Warte einen Moment.« In meiner Handtasche hatte ich ein Stückchen Papier mit dem Code, den Mariko in Setsukos Adreßbuch gefunden hatte. Ich schob Hugh zur Seite und versuchte es dreimal ohne Erfolg.
»Was sollte das denn?« Hugh klang ungeduldig. »Hier können wir nichts mehr tun. Ich muß mich beeilen, wenn ich die Diskette finden will.«
»Versuch es doch in Mr. Nakamuras Arbeitszimmer. Es liegt am Ende des Ganges, auf der rechten Seite.«
»Danke.« Er humpelte davon, und ich ging in das Zimmer, in dem der Sarg gestanden hatte. Der Trauerschmuck war verschwunden. Ein niedriger Tisch stand in der Mitte, auf dem ein paar Zeitschriften und Fotoalben lagen. Ich legte eines mit den ältesten Fotos zur Seite, um es mir später genauer anzusehen.
Oben fing ich in einem kleinen Zimmer an, das wahrscheinlich für ein Kind bestimmt gewesen war – oder für einen Ehemann, nach dem ungemachten Einzelbett zu urteilen. Ich bezog das Bett und räumte auf, bevor ich mich an das Bücherregal machte. Ich blätterte ein paar japanische Klassiker und Thriller durch, die bestimmt Mr. Nakamura gehörten, und auch einige, die wohl Setsuko gehört hatten: internationale und japanische Reiseführer, Shizuko-Natsuki-Krimis und ein paar Bücher über japanische Kunst und Antiquitäten. Ich ging methodisch ihre Sammlung durch und öffnete jedes Buch, auf der Suche nach versteckten Papieren. Als ich ein Buch mit Holzdrucken von Utamaro fand,
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