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Die Tote im Badehaus

Die Tote im Badehaus

Titel: Die Tote im Badehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
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Beinen! Ich mußte dich vorhin doch beinahe nach oben tragen. Und es ist sehr gefährlich.«
    »Was haben wir denn für eine Alternative? Die Polizei?«
    »Lieber nicht.« Die Polizei würde uns fragen, was wir den Tag über gemacht hatten, und wenn sie sich in der Wohnung umsehen wollten, würden sie sofort Setsuko Nakamuras Fotoalbum auf dem kotatsu- Tisch entdecken.
    »Was fangen wir mit ihm an?« Hugh nickte zu Richard hinüber, der mittlerweile seinen Reißverschluß zugemacht hatte und »It’s a Shame About Ray« singend auf uns zuschwankte.
    »Er kann bei Simone schlafen.« Ich überlegte kurz. Zwei ihrer Mitbewohnerinnen waren noch im Urlaub in Frankreich, so daß sich ein freier Futon für ihn finden würde. Ich rief Simone über das Autotelefon an; sie war einverstanden und drängte mich, ebenfalls bei ihr zu übernachten. Ich lehnte ab; für mich hatte ich andere Pläne.
    Als wir Richtung Süden fuhren, stellte Hugh einen Jazzsender ein. Akiko Yano sang mit ihrer hohen, süßen Stimme von Erinnerungen, die die Farbe des Windes hatten. Keikos Erinnerungen waren weitaus düsterer. Schwarz genug womöglich, um mir eine rasche, gefährliche Botschaft zu senden.
    Ich hatte die Vorarbeit dafür selbst geleistet. Bei meinem ersten Besuch im Club Marimba hatte ich Mariko meine Karte gegeben, auf der sowohl in Englisch als auch Japanisch meine Dienst- und meine Privatanschrift standen. Sie hatte sie in ihre Tasche gesteckt, die offen auf dem Garderobentisch gelegen hatte, als Keiko hereingekommen war. Entweder hatte Mama-san die Karte genommen, oder Mariko hatte sie ihr gegeben.
    Wir setzten Richard in Simones enger, aber sicherer Wohnung in Ebisu ab und fuhren weiter nach Roppongi, wo ich durch das Autofenster all die verschiedenen Pärchen sah. Wasserstoffblonde Hostessen stiegen in die protzigen Autos alter, reicher Japaner; natürlicher aussehende japanische Sekretärinnen hielten Händchen mit rotgesichtigen Ausländern, die sie wahrscheinlich in der Arbeit kennengelernt hatten. Mir fiel wieder ein, was Keiko über die schiefen Beziehungen zwischen Ausländern und Japanern gesagt hatte.
    »Ich habe eine Frage.« Ich versuchte möglichst locker zu klingen. »Siehst du mich eher als Japanerin oder als Amerikanerin?«
    »Ich verstehe nicht, wie du dir nach so einem Abend über so etwas Gedanken machen kannst – diese Treppe hätte dich das Leben kosten können …«
    »Du hast einmal behauptet, ich hätte ein Problem damit, mich zu definieren. Es interessiert mich, was du darüber denkst. Ich bin neugierig«, fügte ich hinzu. Ich spürte seinen Blick auf mir ruhen.
    »Beides«, sagte er schließlich. »Biege hier ab. Ich möchte Roppongi Crossing umfahren.«
    »Man kann unmöglich beides sein!« Es ärgerte mich, wie er sich herausredete.
    »Was soll ich denn sagen? Daß dein Gesicht und dein Körper aus einem japanischen Kunstband sein könnten, aber daß du einen gemeineren Charakterzug hast als Tonya Harding? Das du dich trotz deiner Teezeremoniemanieren durch nichts einschüchtern läßt? Ich habe schon gehört, wie du Piers Clancy behandelt hast.« Hugh seufzte, woraus ich schloß, daß die beiden sich gestritten hatten.
    »Er hat es verdient.« Ich wußte nun wieder, wo wir waren, fuhr langsam in die Einfahrt zu Roppongi Hills und hielt Ausschau nach Fotografen. Niemand war zu sehen, bis auf eine gutaussehende blonde Frau, die Einkaufstüten aus dem Kofferraum eines Volvo hob. Sie beeilte sich, so daß wir alle gleichzeitig am Aufzug waren. Ich war froh, daß es den Lift gab; eine Treppe hätte ich an diesem Abend nicht mehr ertragen, nicht einmal bei Licht.
    »Hallo Hugh! Du weißt wahrscheinlich, daß die Fernsehleute den ganzen Nachmittag und Abend auf dich gewartet haben? Ich wollte ihnen schon eine Tasse Tee anbieten.« Zu mir sagte sie übertrieben langsam und laut: »Konnichiwa.«
    »Konbanwa«, antwortete ich. Die Lehrerin in mir mußte sie einfach verbessern – es hieß nicht Guten Tag, sondern Guten Abend.
    »Ja, ja. Vier Jahre bin ich schon hier, und ich kann es immer noch nicht.« Ihr rauhes Lachen paßte zu ihrer großen, schlanken Gestalt und dem schwarzen Nerz, der ihr bis an die schmalen Fesseln reichte. Leichte Fältchen um ihre harten blauen Augen sagten mir, daß sie eine fanatische Sonnenanbeterin oder ein paar Jahre älter als Hugh war.
    »Rei, das ist Winnie Clancy.« Hugh gähnte doppelt so lange wie vorher im Auto. »Du kennst ihren Mann Piers.«
    »Ah so desu ka?« Ist das so?

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