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Die Tote im Badehaus

Die Tote im Badehaus

Titel: Die Tote im Badehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
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gewußt.«
    »Wie hast du das herausgefunden? Du hast ganz schön herumgeschnüffelt.«
    »Mrs. Ozawa wußte, daß du in einer Bank arbeitest, da habe ich ein bißchen herumtelefoniert.« Ich zögerte. »Na gut, ich habe bei den Hauptniederlassungen angerufen und gesagt, ich möchte mich über dich beschweren, um herauszufinden, wo du arbeitest. Ich hoffe, das fällt nicht auf dich zurück.«
    »Ich habe einen komischen Anruf bekommen, aber weil ich keinen Kontakt zu Kunden habe, hat es keinen Sinn ergeben. Ich habe gesagt, es war bestimmt eine Verwechslung.« Sie stellte sich vor mich hin, drehte sich um und bedeutete mir, den Reißverschluß ihres mit Pailletten besetzten blauen Minikleides zuzuziehen. Ihr Rücken war so weich und golden wie ihr Gesicht; sie mußte nackt auf einer Sonnenbank gelegen haben, um im Winter in Tokio so braun zu werden. »Du hast mir immer noch nicht erzählt, wo du die Ozawas getroffen hast.«
    »Wir haben uns auf der tsuya deiner Tante kennengelernt.« Mariko sagte nichts, deshalb drückte ich mich deutlicher aus: »Die von Setsuko Nakamura in Hayama.«
    Mariko saß vor einem Spiegel und versuchte, sich die Haare hochzustecken. »Obasan hat eine tsuya veranstaltet? Ich kann nur hoffen, sie war für ihren Mann.«
    »Deine Tante …« Ich würde ihr sagen müssen, daß ihre Tante tot war. Ich schluckte. »Setsuko ist diejenige, die gestorben ist. Es tut mir leid.«
    Mariko saß lange still da. Dann wirbelte sie auf ihrem Garderobenhocker herum, die eine Hälfte ihrer Haare war hochgesteckt, die andere hing über ihren Rücken. »Sag das noch einmal.«
    Sie klang ehrlich überrascht, aber es konnte auch gespielt sein; Hostessen wurden darauf trainiert, Gedanken zu lesen. Sie sollten alles tun, damit die Leute sich wohl fühlten. Aus dem Grund wählte ich meine Worte sorgfältig. »Sie ist vor einem minshuku in Shiroyama erfroren. Man ging zunächst von einem Unfall aus, aber jetzt glaubt die Polizei, daß sie vielleicht ermordet wurde.«
    »Das kann doch nicht wahr sein. Tante Setsuko war meine letzte Verwandte.« Ihr purpurroter Mund zitterte.
    »Deine Mutter ist gestorben, als du noch klein warst, nicht?«
    Sie nickte. »Ich war noch ein Baby. Mein Vater konnte nicht gleichzeitig auf mich aufpassen und arbeiten, deshalb ist er nach Okinawa gezogen, hat mir Tante Setsuko erzählt. Ich habe überhaupt keine Erinnerung an ihn.«
    »Bei wem bist du aufgewachsen?« Sie war so absolut allein, daß mein anfängliches Mißtrauen ihr gegenüber sich langsam in Mitleid verwandelte.
    »Bei Kiki, du hast sie draußen gesehen.«
    »Weshalb arbeitest du überhaupt bei der Bank?« Das interessierte mich, denn als Hostess verdiente man mindestens doppelt so viel wie in einem Büro.
    »Das hatte ich mit Setsuko so vereinbart. Sie hat gesagt, ich sollte mehr Möglichkeiten haben als sie. Aber ich mag die Bar, und Kiki braucht mich.« Mariko musterte meine Kleidung, dann mein Gesicht. »Hast du schon einmal daran gedacht, Hostess zu werden? Was du da mit deinen Haaren machst, sieht ziemlich nach Audrey Hepburn aus. Und dein Englisch …«
    »Setsuko hatte recht, du bist zu klug, um deine Zeit so zu vergeuden. Warum gehst du nicht in den Marketingbereich?« In dem Moment wurde mir klar, daß sie ihren Kummer verbarg oder versuchte, mich abzulenken. »Wie oft hast du Setsuko gesehen?«
    »Einmal im Monat – zum Lunch –, da hat sie mir immer das Geld gegeben.«
    »Welches Geld?« Ich fand ihre Direktheit ziemlich unjapanisch.
    »Von meinem Großvater.«
    »Er war Amerikaner?« Ich erinnerte mich an den Matrosen, den Mrs. Ozawa erwähnt hatte.
    »Yes, Ma’am«, sagte sie spöttisch auf amerikanisch, bevor sie wieder in ihren japanischen Slang wechselte. »Er war im Koreakrieg. Ich glaube, er kam mit einem Schiff, dessen Heimathafen hier war, und so hat er meine Großmutter kennengelernt. Sonst weiß ich nur, daß er Geld hatte und seine Töchter nicht vergessen hat. Er wußte von mir, weil Tante Setsuko ihm geschrieben hat.«
    »Erzähl mir mehr von deiner Tante«, sagte ich und sah zu, wie Mariko ihre Wimpern in lange, marineblaue Stacheln verwandelte.
    »Sie war sehr nett zu mir, hat mich alle paar Monate zu Mitsutan oder Mitsukoshi mitgenommen, damit ich mir etwas Neues zum Anziehen kaufen konnte …«
    »Wann hast du sie zum letzten Mal gesehen?« unterbrach ich sie.
    »Vor zwei Monaten. Wir haben zwischendurch mal telefoniert und sie hat gesagt, sie hätte momentan keine Zeit, mich zu treffen.«

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