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Die Tote im Badehaus

Die Tote im Badehaus

Titel: Die Tote im Badehaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata Massey
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scheint alles zu ernst zu nehmen. Er hat keinen Humor.«
    »Richard, im Gefängnis geht es nun mal ernst zu!« Der Brief war so deprimierend, daß mir nur eines ganz klar war: Hugh mußte raus. Dann konnte ich ihm in die Augen sehen und herausfinden, wo wir standen. Und ich würde Mariko finden, selbst wenn ich in jede Bank der Stadt gehen mußte.
     
    Am nächsten Morgen fing ich mit dem englischsprachigen Telefonbuch an. Ich versuchte es mit den Personalabteilungen der Banken in alphabetischer Reihenfolge und gab mich als frühere Freundin von Mariko Ozawa aus. Schnell war klar, daß die Aoyama-Bank keine persönlichen Informationen über ihre Angestellte weitergab. Bei den nächsten zwei Banken war es das gleiche. Ich brauchte eine spannendere Geschichte. Dann hatte ich eine wirklich hinterhältige Idee.
    »Ich möchte mich über eine Angestellte beschweren, die letzte Woche eine falsche Buchung auf meinem Konto gemacht hat, Mariko Ozawa …«
    Die Telefonistinnen verfielen alle sofort in einen defensiven, hyperhöflichen Tonfall. »Könnten Sie bitte eine Minute warten? Wir werden das überprüfen …« Triumphierend meldeten sie sich dann wieder. »Wir haben keine Angestellte mit diesem Namen. Vielleicht hat sich die geschätzte Kundin getäuscht?«
    Etwa in der Mitte der Liste hatte ich Glück, als ich bei der JaBank anrief. »Mariko Ozawa? Von der Devisenabteilung in der Filiale in Shinjuku? Der Personalchef, mit dem Sie sprechen müssen, heißt …« Ich notierte mir sorgfältig den Namen und versicherte der Telefonistin, mich dort zu melden.
     
    An diesem Nachmittag wurden Richard und ich in einen Küchenladen in Shinjuku geschickt, um uns die englischsprachigen Schilder anzusehen, die für eine Espressomaschine von Nichiyu entworfen worden waren, mit der man auch Milch für Caffè latte aufschäumen konnte. Statt »latte« stand fälschlicherweise »ratte« da, und Richard war der Meinung, es sei unnötig, das zu ändern, weil es im Japanischen den Buchstaben L nicht gab. Auch wir sprachen das Wort wie »ratte« aus, damit man uns bei Nichiyu verstand.
    »Das Problem ist aber, daß da jetzt Ratte steht«, sagte ich. »Wer will denn schon Rattenkaffee trinken?«
    »Ratten gelten in japanischen Volksmärchen als sehr kluge Tiere. Jeder liebt sie! Lassen wir es, wie es ist.« Der Geschäftsführer der Küchenabteilung und zwei Angestellte nickten zustimmend.
    »Wenn wir zulassen, daß auf einem Schild etwas falsch geschrieben ist, dann schafft es dieser Schreibfehler womöglich in die Prospekte. Wie soll Nichiyu jemals zu einer Konkurrenz für Braun und Krups werden, wenn in unseren Prospekten solche Fehler sind?«
    »Zeige mir einen, der behauptet, daß diese Prospekte überhaupt gelesen werden«, spottete Richard.
    »Okay, ich hole eine zweite Meinung dazu ein«, insistierte ich und überlegte, wen ich fragen konnte. Mrs. Chapman vielleicht?
    Der Streit über die Espressomaschine war erst einmal aufgeschoben. Wir verabschiedeten uns von unserem Verkaufsteam und gingen in Richtung Bahnhof, als Richard mich darauf hinwies, wie nahe wir an Marikos Bank waren.
    »Fahren wir doch hin. Es ist nur eine Station mit der U-Bahn.«
    »Richard, das ist unsere Arbeitszeit! Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber mir bedeutet dieser Job etwas. Ich würde ihn gerne behalten.«
    »Wir werden erst später zurückerwartet. Wenn wir uns eine halbe Stunde verspäten, wen kümmert das? Wir können sagen, daß wir mit dem Bus im Stau steckengeblieben sind. Du bezeugst, was ich sage, und ich bezeuge, was du sagst.«
    Auf dem Weg zur Bank entdeckte er eine Filiale seines Lieblingsdesigners für Leder und Jeans, New Boys Look. Ich hatte keine Lust zu warten, während er einkaufte, und so verabredeten wir, uns in einer halben Stunde wieder vor dem Laden zu treffen. Es war fast drei Uhr, die Banken würden gleich schließen.
    Die JaBank lag an der Shinjuku Dori, unter dem riesengroßen Fernsehbildschirm, auf dem Chisato Moritaka »Jin Jin Jinglebell« sang. Die Bank war deutlich gediegener. Eine höfliche Angestellte wies mich nach oben zur Devisenabteilung. Eine mondgesichtige Frau Mitte Zwanzig zählte einem Rucksacktouristen Yen hin.
    »Ist Miss Ozawa zu sprechen?« fragte ich, als sie die Transaktion beendet hatte und sich anschickte, den nächsten in der Reihe aufzurufen. Ich war überrascht, daß eine Blutsverwandte von Setsuko so unansehnlich sein konnte.
    »Bitte ziehen Sie eine Nummer, wenn Sie eine Auskunft möchten«,

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