Die Tote im Keller - Roman
Nase.
»Wir fahren jetzt. Schon sehr seltsam, dass sie vor euren Augen verschwinden konnten«, meinte er und lächelte spöttisch.
Weder Irene noch Fredrik machten sich die Mühe, ihn darüber aufzuklären, dass sie nicht zum Dezernat für Menschenhandel gehörten. Sie mussten ihm allerdings beipflichten: Es war wirklich
äußerst merkwürdig, dass es Heinz Becker und einem Kumpanen gelungen war, aus der Wohnung zu verschwinden. Wie hatten sie wissen können, dass eine Razzia bevorstand? Und wie waren sie an den Zündschlüssel des Lastwagens gekommen?
Sie betraten das zweite Zimmer, das Wohnzimmer. Es glich jedoch mehr einem Feldlager. Eine durchgesessene Couchgarnitur war in eine Ecke geschoben, sowie ein paar andere Möbel und Lampen. Auf dem Boden lagen zwei Matratzen und um diese herum dieselben Utensilien wie im Schlafzimmer: Klopapierrollen, Kondome, ein Plastikschälchen mit Potenzpillen.
Die Küche war offenbar Rückzugsort der Zuhälter gewesen. An der Wand ein Feldbett mit Decke und Kopfkissen, ein Küchentisch in der Mitte des Raums, darauf ein großer Fernseher, neben dem Fernseher eine Großpackung Viagra. Zumindest stand es so auf der Verpackung. Ansonsten türmten sich leere Pizzakartons und Schnapsflaschen. In der Spüle lag eine gebrauchte Kanüle. Der Gestank war fürchterlich.
»Die Spurensicherung kommt jeden Augenblick. Wir fahren ins Präsidium zurück«, sagte Linda Holm, die ihren Kopf zur Tür hereinstreckte.
»Hier ist nicht mehr viel für uns zu tun«, meinte Irene.
»Stimmt.«
Die Kommissarin versuchte nicht einmal, ihre Enttäuschung zu verbergen.
»Wenn ich nur wüsste, wie sie rausgekriegt haben, dass wir kommen!«
Fredrik sah sie nachdenklich an. Als sie wieder im Treppenhaus standen, sagte er plötzlich:
»Ich bleibe noch eine Weile. Ich will noch was kontrollieren. «
Linda Holm nickte nur. Sie schien Fredriks Worte kaum gehört zu haben. Sie war tief in ihre eigenen Überlegungen versunken.
Linda schwieg, als sie wieder im Auto saßen. Um die Stille zu durchbrechen, fragte Irene:
»Wie habt ihr eigentlich herausgefunden, wo sich Heinz Becker aufhält?«
»Er hat im Internet seine Handynummer angegeben«, antwortete die Kommissarin.
»Einer unserer Leute hat also bei ihm angerufen?«
»Ja.«
»Und wie lange habt ihr die Wohnung überwacht?«
»Zweieinhalb Tage. Es dauert immer eine Weile, bis wir den Durchsuchungsbefehl bekommen. Wir müssen erst den Verdacht erhärten. Die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft funktioniert jedoch recht gut. In diesem Fall gab es auch keinerlei Bedenken. Ein steter Strom von Männern suchte die Wohnung auf.«
»Glaubst du, dass sie jemand gewarnt hat und dass es ihnen deswegen gelungen ist zu verschwinden?«, fragte Irene.
»Bestimmt. Sie haben teure Drogen und Medikamente zurückgelassen. Wenn sie ohne Eile aufgebrochen wären, hätten sie alles mitgenommen. Sie sind in Panik geflüchtet. Irgendjemand muss ihnen kurz vorher den Tipp gegeben haben!«
Die Stimme der Kommissarin und ihre finstere Miene machten deutlich, dass diejenige Person, die die Aktion verraten hatte, nicht auf Gnade rechnen konnte, sollte sie sie je ausfindig machen.
»Ich frage mich, wo sie den Zündschlüssel des Lastwagens herhatten. Obwohl wegen des Schneetreibens schlechte Sichtverhältnisse herrschten, hatte ich den Eindruck, dass sie die Tür zum Laderaum aufschlossen, bevor sie den Sack einluden und…«
»Der Sack!«
Linda Holm fiel Irene ins Wort und schlug mit der flachen Hand aufs Lenkrad.
»Das Mädchen war in dem Sack!«
Die Kommissarin umklammerte das Lenkrad so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Sie starrte durch die Windschutzscheibe. Obwohl die Scheibenwischer mit höchster Geschwindigkeit arbeiteten, konnte man kaum nach draußen
schauen. Der Schneefall hatte sich in einen Schneesturm verwandelt.
»Sie haben wohl nur noch ein Mädchen«, sagte sie halblaut.
Irene hatte das Gefühl, dass die Kommissarin mit sich selbst sprach, und sagte daher nichts. Wahrscheinlich war es so, wie Linda Holm vermutete: Das eine Mädchen lag in einem Plastiksack auf der Ladefläche eines Lastwagens, das andere in einem Kühlfach der Gerichtsmedizin.
»Entschuldige. Ich hatte dich unterbrochen. Was hast du gerade über den Lastwagen gesagt?«, fragte Linda Holm.
Sie schielte zu Irene hinüber, wagte es jedoch nicht, die Fahrbahn ganz aus den Augen zu lassen.
»Ich dachte, sie hätten den Lastwagen mit einem Schlüssel
Weitere Kostenlose Bücher