Die Tote im Keller - Roman
gähnte er laut und sagte:
»Ich habe jetzt alles gesagt, was ich weiß. Jetzt will ich in die Zelle zurück und schlafen.«
Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, riss er seinen Mund zu einem riesigen Gähnen auf.
Fredrik und Irene sahen sich rasch an und nickten. Aus dem Indianer würde nichts mehr herauszubringen sein. Er war ohnehin ungewöhnlich gesprächig gewesen, was vermutlich dem immer noch hohen Alkoholanteil seines Blutes zuzuschreiben war.
Der Wärter brachte den Indianer zurück in seine Zelle.
»Der Indianer ist in die Sache verwickelt. Er hat ein paar wichtige Informationen geliefert. Das müsste reichen, um ihn in Untersuchungshaft zu behalten«, sagte Fredrik.
»Er ist zwar nicht der zuverlässigste Informant, der mir im Lauf der Jahre untergekommen ist, aber außer ihm haben wir im Augenblick nichts. Wir müssen uns auf seine Aussage verlassen. Ich informiere morgen früh Linda Holm und frage sie, ob sie diesen Sergej kennt.«
Kurz nach acht parkte Irene ihren Wagen vor dem Reihenhaus. Krister und die Mädchen hatten gekocht und bereits gegessen. Irene machte sich wie schon so oft die Reste in der Mikrowelle warm.
I rene traf wie immer außer Atem im Dezernat ein. Vor der Morgenbesprechung brauchte sie unbedingt noch eine Tasse Kaffee. Im Laufschritt bog sie um die Ecke und öffnete mit dem Fuß die Tür ihres Büros. Gleichzeitig versuchte sie ihre dicke Winterjacke auszuziehen. Fast hätte der junge Mann, der in ihrem Zimmer stand, die Tür ins Gesicht bekommen. Er sah mindestens genauso erstaunt aus wie Irene, als diese abrupt auf der Schwelle stehenblieb und den unerwarteten Besucher anstarrte.
»Oh … entschuldigen Sie. Ich wusste nicht, dass jemand hier ist«, sagte sie schließlich.
Der Mann war zwischen fünfundzwanzig und dreißig, mittelgroß und hatte dunkelbraunes Haar und bernsteinbraune Augen. Er war eher stämmig, aber sehr durchtrainiert. Er sah gut aus. Sie hatte ihn noch nie zuvor gesehen. Über der Lehne des Besucherstuhls hing eine Canada-Goose-Jacke. Er trug robuste Winterstiefel, Jeans und einen gestrickten dunkelblauen Pullover über einem weißen Rollkragenpullover aus Baumwolle. Sie hatte keine Ahnung, wer er sein könnte. Der schwache Duft eines frischen Rasierwassers lag in der Luft. Irene streckte die Hand aus, um ihn zu begrüßen.
»Guten Morgen. Ich bin Inspektorin Irene Huss.«
Er erwiderte ihren Gruß mit festem Händedruck.
»Hallo. Ich bin Stefan Sandberg.«
Irene stutzte. Das musste Torleif Sandbergs Sohn sein. Konnte es sich um den kleinen Jungen von dem Foto handeln,
das sie in der Wohnung von Kruska-Toto gesehen hatte? Der Junge auf dem Foto war blond gewesen.
»Mein Beileid zu dem tragischen Tod ihres Vaters …«, begann sie und stockte, als sie seinen Gesichtsausdruck bemerkte.
»Danke«, erwiderte er steif.
Tommy streckte seinen Kopf durch die Tür.
»Morgen. Kommst du? Wir fangen an … oh, du hast so früh schon Besuch?«
Tommy trat ein und lächelte den unerwarteten Besucher an. Irene stellte sie rasch einander vor.
»Was den Tod Ihres Vaters angeht, müssen Sie sich mit Inspektor Hannu Rauhala unterhalten, denn der ist zuständig für diesen Fall«, informierte Irene Stefan Sandberg eilig.
Sie hatte die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, es noch rechtzeitig zum Kaffeeautomaten zu schaffen.
»Ich weiß. Aber er ist heute krank. Magendarmgrippe, hat mir ein älterer Typ erklärt, scheint hier der Chef zu sein. Er hat mich zu Ihnen geschickt. Ich muss nämlich eine Anzeige erstatten«, sagte Stefan Sandberg ernst.
»Worum geht es denn?«, fragte Irene.
Sie musste sich anstrengen, um ihre Ungeduld nicht zu zeigen.
»Torleifs Auto ist gestohlen worden.«
Irene und Tommy schwiegen verblüfft.
»Gestohlen?«, brachte Irene schließlich heraus.
»Ja. Der Wagen ist weg. Er steht nicht mehr auf seinem Parkplatz. «
Alle drei zuckten zusammen, als die Gegensprechanlage plötzlich anging und sich scheppernd die unfreundliche Stimme des Kommissars aus dem Lautsprecher vernehmen ließ:
»Kommt schon, ihr Nieten!«
»Okay, okay!«, rief Tommy zurück.
Irene wandte sich an Stefan Sandberg und sagte:
»Wie Sie merken, müssen wir jetzt gehen. Wir sind heute unterbesetzt. Ich würde mich aber gerne noch mit Ihnen unterhalten. Hätten Sie die Möglichkeit, heute nach dem Mittagessen
noch mal vorbeizuschauen? Gegen eins oder halb zwei?«
»Aber sicher. Kein Problem«, sagte Stefan Sandberg nickend und nahm seine dicke Jacke
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