Die Tote im Keller - Roman
Schritte von der Haustür zum Taxi taumeln ließ. Der Asphalt war spiegelglatt, und so früh am Morgen war noch nicht gestreut worden. Sie konnte sich nur in winzigen Schritten vorwärtsbewegen, wenn sie nicht ausrutschen wollte. Sie seufzte erleichtert, als sie sich endlich auf den Rücksitz des Taxis fallen lassen konnte. Die Fahrt nach Landvetter würde etliche hundert Kronen kosten, aber da mussten die Spanier eben ein wenig tiefer in die Tasche greifen. Das war ihr letzter Gedanke, dann schlief sie ein.
Irene fand, das Fliegen hatte einen großen Nachteil: Die Flüge gingen immer so ungeheuer frühmorgens. Außer der kleinen Laptoptasche, die aussah wie eine etwas größere Handtasche, und einem Rucksack hatte sie kein Gepäck dabei. Nichts davon musste sie einchecken. Trotzdem musste sie eine Stunde vor Abflug am Flughafen sein. Das war auch der Grund, warum sie um zwanzig nach sechs schlaftrunken im Terminal für Auslandsflüge herumwankte. Instinktiv folgte sie dem Kaffeeduft und landete in einem Café, das so früh bereits geöffnet war. Nach drei Tassen Kaffee – die zweite und dritte Tasse waren gratis – und einem frischgebackenen Minibaguette mit Ei und Anschovis hatte sich ihre Laune erheblich gehoben.
In der Dunkelheit waren hinter den riesigen Fensterscheiben der Abfertigungshalle die erleuchteten Start- und Landebahnen auszumachen und die Blinklichter der Fahrzeuge, die auf dem Rollfeld unterwegs waren. Busse brachten Passagiere zu den Maschinen, und Lastwagen lieferten das scheußliche Essen an, das an Bord serviert wurde. Irene beschloss, sich sicherheitshalber noch ein belegtes Brot im Rucksack mitzunehmen.
Sie ging in den Dutyfree-Laden und kaufte, was ihr die Zwillinge aufgetragen hatten. Für sich kaufte sie Wimperntusche und eine kleine Flasche Sonnenmilch mit Schutzfaktor 15. Sie wollte bei ihrer Heimkehr nicht wie ein frischgekochter Hummer aussehen, denn dann würde sie sich wochenlang die schadenfrohen Kommentare ihrer Kollegen anhören müssen.
Normalerweise kaufte sie ihre Kosmetika bei Coop, wenn sie den Einkauf für die Woche erledigte. Sie benutzte keine bestimmte Marke, sondern kaufte einfach das, was preiswert war. Auf dem Weg zur Kasse erblickte sie jetzt einen Ständer mit einem großen Schild »Sonderangebot des Monats«. Steuerfrei und zusätzlich Sonderpreis, das musste wirklich wahnsinnig billig sein, dachte Irene und blieb stehen, um sich die Sachen näher anzusehen. Über den Tuben und Cremetöpfen hing ein Spiegel. Sie warf einen Blick hinein und konnte nur feststellen, dass ihr Gesicht jede erdenkliche Hilfe gebrauchen konnte … Alles hing: Mundwinkel, Lider und Wangen. Um die Augen und zwischen den Brauen hatte sie kleine Fältchen. Und seit wann hatte sie Tränensäcke? Einiges ließ sich sicher mit der frühen Stunde erklären und der Tatsache, dass sie keinerlei Make-up aufgelegt hatte. Es ließ sich aber nicht mehr leugnen, dass sie mittlerweile über vierzig war. Verstohlen zog sie ihre Lesebrille aus einem Seitenfach ihres Rucksacks. Sie hatte sie für 150 Kronen in der Apotheke gekauft. Kleingedrucktes konnte sie ohne Brille nicht mehr lesen. Sie begann die hübschen Schächtelchen eingehender zu betrachten. Alle versprachen glattere Haut, weniger Falten und das Verschwinden von hässlichen Pigmentflecken. Und war da nicht tatsächlich auch der Retter in der Not: eine Augencreme, die speziell für Ringe und Tränensäcke gedacht war. Perfekt!
Über dem Regal hing ein Schild, auf dem stand: »Beim Kauf von 2 Artikeln halber Preis!« Besser konnte es nicht werden! So würde die Augencreme bis nächste Weihnachten reichen. Energisch griff sie sich zwei Tuben Augencreme, eine Tagescreme, die versprach, die Haut um 20 Jahre zu verjüngen, sowie die dazugehörende Nachtcreme. Zufrieden begab sie sich zur Kasse.
Die Kassiererin bat um ihr Flugticket und scannte die Waren ein.
»2940 Kronen«, sagte sie dann.
Irene glaubte sich verhört zu haben. Kosmetika für fast 3000 Kronen? Im selben Augenblick wurde ihr Flug aufgerufen.
»Letzter Aufruf für den Spanair-Flug 321 um 7.15 Uhr nach Teneriffa. Bitte begeben Sie sich zum Gate 12«, mahnte eine unerträgliche wache Stimme aus dem Lautsprecher.
Schicksalsergeben reichte Irene der Kassiererin ihre Kreditkarte. Diese gähnte ungeniert und bat Irene, ihre PIN-Nummer einzugeben. Irene sah ein, dass sie keine Zeit mehr hatte, den Kauf rückgängig zu machen. Außerdem war Hilfe wirklich vonnöten. Das Gesicht im
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