Die Tote im Keller - Roman
jedoch nichts.
»Aber der Este, der Fahrer, hat doch auch überlebt«, protestierte sie lahm.
»Arvo Piirsalou. Der wird den Mund nicht aufmachen. Jedenfalls nicht gegenüber der Polizei.«
Plötzlich lächelte er breit und sagte:
»Sie brauchen einen Bodyguard.«
»Einen Bodyguard?«, rief Irene aus.
Das ältere Paar am Nachbartisch sah sie erstaunt an. Aber deren Erstaunen war nichts im Vergleich zu ihrem eigenen, das sich aber rasch in Wut verwandelte.
»Ich brauche wirklich keinen Bodyguard!«, fauchte sie.
Er lachte übermütig und machte eine abwehrende Armbewegung.
»Nein. Wahrscheinlich nicht. Aber Sie müssen vorsichtig sein. Sie sind eine Augenzeugin.«
Irene wurde von seinem entwaffnenden Lächeln zwar etwas besänftigt, sie erwiderte aber trotzdem kühl:
»Ich habe Ihren Kollegen schon erzählt, dass ich den Mörder nicht gesehen habe, nur seinen Arm durch die geöffnete Tür. Und seinen Revolver.«
»Wer auch immer den Killer angeheuert haben mag, kann sich nicht sicher sein, dass Sie auch die Wahrheit sagen. Oder ob Sie sich nicht irgendwann von Ihrem Schock erholen und sich plötzlich wieder daran erinnern können, wie der Mörder aussah. Jemand könnte zu dem Schluss kommen, dass man Sie zum Schweigen bringen muss.«
Mit einem Mal war sein Übermut wie weggeblasen. Er wirkte verbissen und ernst, und Irene erkannte, dass er es ernst meinte. Ein eisiges Unbehagen machte sich in ihr breit. Der Gedanke, dass ihr Leben immer noch in Gefahr sein könnte, war ihr gar nicht gekommen. Diese Einsicht schockierte sie.
»Meine Verletzung wurde von einem Querschläger verursacht. Ich stand in einem toten Winkel. Ich habe ihn nicht gesehen. Und er sah mich auch nicht. Wahrscheinlich lebe ich deswegen noch«, sagte sie.
»Ja. Wahrscheinlich verhält es sich so. Aber dann müssen Sie auch einsehen, dass der Mörder versucht hätte, Sie auch zu erschießen, wenn er Sie in dem Zimmer gesehen hätte. Dieser Mann hatte nicht die Absicht, irgendwelche Zeugen am Leben zu lassen.«
Irene trank einen großen Schluck ihres kalten Biers und versuchte, was er gesagt hatte, zu verarbeiten. Sie spürte, dass ihr Herz schneller schlug. Ihre Angst wuchs. Bilder aus dem verschlossenen Zimmer drängten an die Oberfläche. Nein, das konnte sie nicht zulassen. Nicht jetzt. Sie zwang sich dazu, gelassener zu klingen, als sie tatsächlich war.
»Gibt es irgendeinen Verdächtigen?«, fragte sie.
»Zweifellos handelte es sich um einen Auftragskiller von außen. Solche Leute gibt es hier auf Teneriffa nicht.«
»Ich möchte Ihnen natürlich mein Beileid zu dem tragischen Tod Ihrer Verlobten aussprechen«, sagte Irene ernst.
Sie hatte absichtlich das Wort Verlobte verwendet, obwohl in der Zeitung von Juan Rejón nur als dem neuen Freund von Julia Saar die Rede gewesen war.
Er schaute hastig von seinem Bierglas auf und sah sie an.
»Verlobte? Nein. Julia war nicht meine Verlobte, und ich war auch nicht ihr Boyfriend. Sie denken sicher an die Schlagzeile in der Zeitung.«
Er verstummte. Er hatte seine Stimme jedoch gänzlich unter Kontrolle, als er fortfuhr:
»Ich kenne … kannte sie nicht gut. Aber ich kannte ihren Bruder recht gut. Ich war sein Surflehrer und der seiner Freunde.
Er hatte mich darum gebeten, Julia auf dieses Fest zu begleiten. Erst wollte ich nicht, aber er überredete mich. Sie wollte einen anderen Typen eifersüchtig machen. Sie … Julia bekam immer, was sie wollte. Dieser Typ hatte sie sitzengelassen. Sie war wahnsinnig wütend! Während der ganzen Autofahrt schimpfte sie über ihn.«
Er lächelte bei dieser Erinnerung.
»Wissen Sie, wer das war?«
»Keine Ahnung. Julia wechselte ihre Freunde genauso oft wie ich mein Hemd. Hier auf der Insel hat sie Promistatus, weil sie Fotomodell ist und auch schon einmal in einem Film mitgespielt hat. Eine kleine Rolle, aber immerhin. Sie war also nicht nur die Tochter von Lembit Saar.«
»Aber de Viera sagte, sie hätten sich kompromittiert?«, wandte Irene scharf ein.
Juan Rejón verdrehte die Augen.
»Klar! Das Foto des Paparazzos war für ihn eine willkommene Ausrede, mich von dem Fall zu entbinden«, sagte er.
»Wieso wollte er Sie nicht dabeihaben?«
»Er wollte niemanden in seinem Ermittlerteam dabeihaben, der Kontakte zum Saar-Klan besaß. Schließlich ist er mit der Familie von Jesus Gomez verwandt. Sie sind Cousins.«
Irene dachte über die Informationen nach, die sie von Rejón erhalten hatte. Er wirkte glaubwürdig. Aber sagte er wirklich
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