Die Tote im Maar - Eifel Krimi
nickte zum Zeichen, dass er es gesehen hatte, und bewegte sich auf den Schatten zu.
Die vermisste ältere Dame konnte das nicht sein.
Was zum Teufel war hier los?
Er bemerkte Sensers Kopfschütteln und drehte eine Handfläche nach außen. »Keine Ahnung«, bedeutete er ihr.
Es war eine junge Frau in einem leichten, geblümten Kleid. In einem zerlöcherten geblümten Kleid. Vincent hatte eine Hand ausgestreckt und zog sie wieder zurück. Die Löcher waren Schnitte, ohne Form, doch Vincent wollte die Haut der Frau nicht berühren.
Davon hatte man ihnen nichts gesagt, und das hieß für Vincent Klee, die Kollegen hatten nichts gewusst. Sie würden die Leiche mit nach oben nehmen, und die Leute, die gekommen waren, weil sie sich Sorgen machten oder weil sie neugierig waren und etwas zu erfahren hofften, die mussten weg.
Er verständigte sich mit seiner Kollegin darauf, dass sie auftauchen und Anweisung geben sollte, was gebraucht wurde. Die Beamten an Land sollten alles vorbereiten und die Rechtsmedizin verständigen.
»Sonst kein Wort«, lautete seine Direktive, eine Reißverschlussgeste über dem Mund.
Lori Senser zögerte merklich, vergewisserte sich, dass alles in Ordnung war. Mit ihm.
Verdammt noch mal!
Vincent hatte kein Gefühl, wie lange er mit der toten Frau allein blieb. Unter Wasser veränderte sich die Welt. Alles Klare verschwamm. Nur seine Erinnerung nicht.
Es hätte ein toller Urlaub an der Gold Coast im australischen Queensland werden sollen, für ihn und Belinda, seine kleine Schwester, die für ihn immer »Belle« gewesen war. Es passte. Die honigblonden Locken ringelten sich bis über die Schultern, ihre grünen Augen vermochten mit Leichtigkeit auch noch den eigenen Vater und Bruder zu hypnotisieren.
Vincent hatte ihr den Urlaub zum achtzehnten Geburtstag geschenkt. Zwei Wochen Sonne, Sandstrände, Besuche im Vergnügungspark Sea World, mit Delphinen schwimmen und Seedrachen anschauen.
Dafür hatte er sogar einen Aushilfsjob angenommen und monatelang eisern gespart. Er wollte Polizist werden, hatte die theoretische und praktische Ausbildung durchlaufen, den Abschlusslehrgang geschafft und auf einer Polizeidienststelle in Koblenz seinen Dienst angetreten.
Es war auch seine erste Fernreise, und er hatte fest vor, sie mit allen Sinnen zu genießen. Vincent liebte das Wasser, er surfte und spekulierte darauf, sich ein neues Board zu kaufen und vielleicht auch ein nettes Girl zu treffen. Er war fünf Jahre älter als Belle, aber sie verstanden sich und verbrachten gern Zeit zusammen.
Er hatte das neu erstandene Surfbrett ausprobiert, während Belle schwimmen gegangen war. Das Surfen war phantastisch, bis er seine Schwester nicht mehr sehen konnte.
Er hatte sich erst nichts dabei gedacht, Belle war kein Kind und dazu eine gute Schwimmerin, vielleicht war sie ja gar nicht mehr im Wasser. Er hatte noch ein paar Blicke in Richtung offenes Meer geworfen, aber er war nicht besorgt. Zumindest konnte er sich später nicht daran erinnern, dass er irgendwann ein schlechtes Gefühl gehabt hätte.
Neben ihm tauchten jetzt erneut Schatten auf, dieses Mal waren es Leo und Manne. Vincent war froh, endlich nicht mehr mit dem Tod allein zu sein.
Er konnte die Gesichter der Kollegen unter den Masken nicht sehen, aber im Schein der Lampen für einige Sekunden ihre Augen. Mitleid bei Leo Brenner. Erleichterung bei Manne Halske. Weil die Frau nicht blond war?
Sie glaubten, Vincent Klee hätte bei einer Wasserleiche mit einem Doppel-X-Chromosom ganz automatisch seine Schwester vor Augen.
Das nicht, meist galt sein erster Gedanke den Angehörigen.
Vincent hatte gelernt, das Wasser zu fürchten und zu hassen, aber er würde tauchen, auch wenn es ihn kaputtmachte. In Belles Gesicht würde er nie mehr sehen.
Es war Zeit, mit der Toten aufzutauchen. Unter Wasser war alles nur halb so wahrhaftig, spätestens an der Oberfläche würde er sich in der Wirklichkeit wiederfinden.
* * *
Auf dem Friedhof war alles in Ordnung, auch Zelda Kriegers gerade bestatteter Körper befand sich samt Sarg noch unter der Erde.
Das war auch nicht der Grund gewesen für seine Flucht. Was hätte schon sein sollen.
Er hatte Isabel mit seinem Auftauchen im Institut gestern Abend beunruhigt. Obwohl er keinen Einbruch begangen hatte, kam er sich schäbig vor, weil er sie täuschen musste. Wie ein Pokerspieler hatte er seine Miene verschlossen, doch die Spannung war beinahe mit Händen greifbar gewesen.
Er hatte nicht nach dem
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