Die Tote im Maar - Eifel Krimi
der es gewohnt war, dass man seine Weisungen befolgte.
Was kann er für einen Verdacht haben?, fragte ich mich.
»Ich glaube schon, dass es gegenwärtig etwas zu erfahren gibt«, sagte jetzt Luise. »Alle tun so geheimnisvoll. Vielleicht sollten wir lieber nicht mehr hier sein, wenn sie wieder auftauchen.«
Geheimnisvoll hätte ich es nicht genannt, mir war nur aufgefallen, dass hier Männer eingetroffen waren, die ihren Job, welchen auch immer, erledigten.
Das klang so gar nicht nach Luise, die sich gern informiert hielt. Und gerade jetzt …
»Da unten könnte etwas sein«, sagte sie, und im ersten Moment wusste ich nicht, was sie meinte. Dann hatte ich die Bildkarten wieder vor Augen.
»Aber dann sind wir doch genau richtig – man sollte der Gefahr ins Auge sehen.« Und genau daran glaubte ich nicht. Gar nicht.
»Ich hab einfach ein komisches Gefühl.« Sie sah sich um, als wäre uns diese Gefahr bereits nahe.
Wer uns allerdings gerade nahe war, war Pfarrer Wagner. Er trug noch immer die Klebestreifen im Gesicht, die weiß der Geier was verbargen, und zeichnete sein Kreuz in die Luft. Dazu bewegte sich sein Mund. Ein frommer Wunsch oder ein Segen?
»Es heißt, auf dem Grund des Sees liegt das alte Dorf«, sagte ich und hoffte, ich würde Luise damit von den düsteren Gedanken abbringen, es könnte etwas anderes sein.
Luises Urgroßvater hatte Überlieferungen und Eifelsagen zusammengetragen, die sich Schnurren nennen, weil sie in trauter Runde erzählt werden. Wir waren als Kinder in den Höhlen auf der Suche nach dem Goldschatz der Zwerge gewesen und ärgerten uns über den Jungen, der von einem Kloster ein Brot erbettelte und davon einer alten Frau nichts abgab. Das Brot wurde zu Stein. Und wir mochten seine gesammelten Weinzitate, obwohl wir nicht alle verstanden.
»Der Wein steigt in das Gehirn, macht es sinnig, schnell und erfinderisch, voll von feurigen und schönen Bildern.« Ich hatte es mir bis heute gemerkt, auch dass William Shakespeare das gesagt haben soll. Nur ob jemand noch sinnig, schnell und erfinderisch sein konnte, wenn ihm der Wein erst mal ins Gehirn gestiegen war, das mochte ich doch bezweifeln.
Neben den Sagen hatte sich Luises Familie schon immer mit Genealogie beschäftigt. Dieses »immer« reichte jedoch nur so weit zurück, als ihr Urgroßvater nach einem Beleg suchte, dass sie entweder adelig waren oder sich zumindest jemand in der Blutlinie fand, der vor fünfhundert Jahren eine sensationelle Rebsorte angebaut hatte. Davon hatte sie mir bis heute nichts erzählt, also war Urgroßvater nicht fündig geworden.
Ich hatte Luise ablenken wollen und hatte stattdessen mich abgelenkt.
»Ich kenne die Geschichte«, sagte Luise. »Wir sollten irgendwann tauchen gehen. Aber nicht jetzt.«
»Nein, sollten wir nicht, nicht jetzt und überhaupt nicht, du hast ein schwaches Herz.«
»Pah«, gab Luise zurück.
»Lass uns gehen«, sagte ich. »Es sieht aus, als müssten wir das ohnehin gleich. Sie sperren einige Bereiche ab.« Und jetzt bekam auch ich ein komisches Gefühl.
7
Der Maarsee war nicht grundlos. Die Furcht, die Vincent Klee jedes Mal in sich trug, war es auch nicht.
Lori Senser war an seiner Seite, als sie immer tiefer hinabgingen; wie Glühwürmchen sprangen ihre Lichter hin und her, bevor der Schein an etwas haften blieb. Es sah aus, als wäre etwas Großes zerschmettert worden, nur dass dieses Große aus Stein war. Überreste des alten Ortes. Er wusste zu wenig, das war ihm klar, aber dafür hätte er die ganze Geschichte des Weinfelder Maares lesen müssen. Etwas, das einmal oberhalb der Erde gewesen war, befand sich jetzt unter Wasser. Und das sicher nicht erst seit gestern.
Nichts rührte sich, alles war ruhig. Die Sicht war gut.
Schwimmen war im Weinfelder Maar verboten, dafür durfte geangelt werden, aber einige der Fische hatten, was auch immer sich ereignet hatte, nicht überlebt, und trieben tot an der Oberfläche. Außerdem war da dieser Schaum. Vincent war gespannt auf die Analyse.
Senser tippte ihm auf die Schulter. Ein schwebender Schatten links von ihnen. Der Körper lag ruhig im Wasser, dunkles, langes Haar spielte um ein blasses Gesicht.
Vincent brauchte nichts zu sehen, um jedes Mal diese eisige Hand an seinem Herz zu spüren. Es hörte nie auf.
Sie war es nicht, sie konnte es nicht sein, denn Belinda hatte blondes Haar gehabt, und sie war vor langer Zeit in einem Ozean am anderen Ende der Welt geschwommen und nicht mehr aufgetaucht.
Vincent
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