Die Tote im Maar - Eifel Krimi
halten. Es war nicht wichtig, Lori Senser war gut, und sie wusste, worauf es ankam.
Jeder hatte seine Achillesferse, niemand sprach darüber. Die Angst gehörte jedem ganz allein. Klees Schwachpunkt hingegen war allen bestens bekannt. Dafür hatte sein Vater gesorgt, der leitende erste Polizeidirektor des Präsidiums.
»Warum gehst du ins Wasser, wenn du dir da unten in die Hosen scheißt?«, hatte er ihn gefragt, als Vincent zur Wasserschutzpolizei wechselte. Er hatte eine dumme Antwort gegeben, es aber nie vergessen, weil es gleichzeitig eine Anklage gewesen war.
»Meine Hosen sind sauber«, sagte er laut, was ihm einige fragende Blicke einbrachte.
»Der Trichter ist geöffnet. Niemand von uns wird in eine so schmale Röhre gehen. Niemand«, sagte Vincent bestimmt.
Alle nickten. Ihre Einheit war eine der bestausgebildeten deutschlandweit. Sie arbeiteten zusammen, sie mochten sich, und das war das wichtigste Detail und gleichzeitig der Ausgangspunkt, weil einer sich auf den anderen verlassen musste – ein Leben konnte davon abhängen.
»Wer geht runter?«, fragte Manne Halske. »Ich glaube, niemand hat in letzter Zeit in einem mit Wasser gefüllten Vulkankrater getaucht.«
»Zwei Einheiten zu je zwei Mann. Leo, du und Lori.«
Halske nickte.
»Senser, du bist an meiner Seite.«
»Wer wird den Einsatz leiten?«, fragte Leo Berger. Er war einer der Ältesten, und es gab kaum ein Gewässer, in dem er nicht schon getaucht war.
»Wenn du so fragst … du«, antwortete Vincent.
* * *
Außer Verwüstung und Chaos war nicht viel zu sehen. Herumliegende Pflanzen, Erde und Risse, die sich durch den Boden zogen. Was Luise durch ihren Feldstecher gesehen hatte, betrachteten wir nun schon seit mindestens zwei Stunden an Ort und Stelle.
Was konnte eine solche Zerstörung anrichten? Man bräuchte einen Trupp von Landschaftsgärtnern, um den mitgenommenen Untergrund wieder aufzupäppeln. Die Gemeinde würde das vielleicht sogar veranlassen.
Luise und ich liefen ebenso ziellos durchs Gelände wie unsere Nachbarn. Auskünfte bekam man keine. Die Polizisten standen herum, und ich hörte, wie jemand sagte, sie würden auf die Wasserschutzpolizei warten. Das hatte etwas zu bedeuten, da war ich mir sicher. Wenn ich auch sonst überhaupt nicht der Neugierde anhing, das übernahm Luise schon für uns beide.
»Mir ist das allmählich unangenehm, wir gaffen«, sagte ich irgendwann ein wenig mürrisch.
»Wir gaffen nicht«, gab sie zurück.
»Ach nein?«, meinte ich. Was taten wir sonst? Fehlte nur noch, dass sie einen der Polizisten ansprach, was jemand mit einem getürkten Feuerwehreinsatzausweis durchaus fertigbrachte.
Irgendwann tauchte ein großer Kastenwagen auf. Ich hatte mir gerade gesagt, dass ich nach Hause gehen würde, jetzt überlegte ich es mir anders.
Es war die Wasserschutzpolizei aus Trier. Die Taucheinheit sprach sich offenbar mit dem Bezirksbeamten ab, in dessen Zuständigkeit Schalkenmehren fiel. Seine abstehenden Ohren erinnerten mich an jemanden, aber dann trieb der kleine Fetzen davon.
Es wurde gestikuliert, und plötzlich war es um uns herum verdächtig still. Jeder wollte hören, worum es ging, und wir alle drängten näher. Ich ärgerte mich über mich selbst, das war pure Sensationshascherei.
Elvis von Eifel- TV rief: »Hat es jemanden erwischt? War es ein Beben? Was können Sie schon sagen? Ist es gefährlich, dort runterzugehen? Was schwimmt da zwischen den toten Fischen auf dem Wasser?«
Ich war ja an Luise gewöhnt, aber selbst meine Freundin würde nicht voraussetzen, dass sich jemand so viele Fragen auf einmal merken konnte.
Der Einsatzleiter hob die Hände und sagte schlicht: »Es gibt gegenwärtig noch nichts zu erfahren.«
Vier Personen in schwarzen Neoprenanzügen lösten sich aus der Gruppe, sie hatten Sauerstoffflaschen auf dem Rücken und Masken im Gesicht, an den Füßen Tauchflossen. Jeder von ihnen hatte etwas in der Hand, von dem ich vermutete, dass es sich um eine Lampe handelte. Es war irgendwie ein unheimliches Bild.
»Sie suchen nach jemandem«, murmelte Luise.
Die vier Taucher wateten etwas umständlich in den See. Ich hatte gesehen, wie einer der Männer zuvor mit dem Handschuh einen Rest Schaum aufgenommen hatte, der noch immer auf dem Wasser schwamm, die Atemmaske angehoben und an dem Schaum gerochen hatte.
Ich konnte hören, wie einer der Taucher sagte: »Davon brauchen wir Proben.«
Sein Gesicht konnte ich nicht sehen, aber die Stimme war die eines Mannes,
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