Die Tote im Maar - Eifel Krimi
den Eindruck, es dauerte zu lange … und plötzlich hatte einer der Gäste eine Waffe in der Hand.
Galen hatte im selben Augenblick auf den langen, edlen Spieltisch und den Einsatz des Mannes geschaut – warum er ausgerechnet das behalten hatte, wusste er nicht. Der Mann hatte auf »Zero« gesetzt.
Anders als der Croupier stand er vollkommen aufrecht da und schrie etwas davon, er wäre für die Sicherheit zuständig. Vielleicht ein Bluff, vielleicht auch nicht. Hätte er es nicht gesagt, hätte er die Nacht überlebt. Dass der angebliche Sicherheitsmann zuerst geschossen hatte, machte die Sache nicht besser. Galen hatte das Feuer erwidert. Und der andere bekam die Zero.
Galen versicherte sich selbst, dass er hatte schießen müssen, dass er gar keine andere Wahl gehabt hatte.
Aber die hatte man immer.
Die drei verließen die Spielbank und zogen die Smokings aus. An den Laufschuhen waren sie zu erkennen, sollte jemand darauf geachtet haben, aber unter dem feinen Zwirn trugen sie jeder einen engen Sportanzug. Die Vereinbarung lautete, jeder macht seine Beute und behält sie. Die Waffen hatten sie in den Blumenrabatten zurückgelassen, man würde sie nicht zu ihnen zurückverfolgen können, sie waren sauber.
In ihren Taschen befanden sich jetzt die erbeuteten Wertgegenstände und das Geld. Es gab kein Fluchtfahrzeug, weil sie keines hatten, sie liefen jeder in eine andere Richtung. Nur Galen hatte außerdem einen Toten zurückgelassen. Der Schuss des Sicherheitsmannes hatte getroffen – nämlich ihn selbst in den Oberschenkel. Den Schmerz spürte er kaum, auch blutete die Wunde nur wenig. Er hatte Glück gehabt, denn das Geschoss hatte keine größere Ader verletzt. Aber er konnte damit zu keinem Arzt.
Es war nicht abgemacht, für den anderen einzustehen, aber einer der anderen tat es, was Galen wahrscheinlich gerettet hatte. Er nahm ihn mit auf sein Boot, das am Untermainkai lag, desinfizierte und verband die Wunde.
Sie hatten einander vorher nicht gekannt, und später war es nicht mehr ratsam, sich zu kennen. Sie waren einfach ein paar Typen gewesen, die einander in einer Bar über den Weg gelaufen und so verrückt gewesen waren, zusammen wegen des Nervenkitzels eine Spielbank zu überfallen. Nachdem der andere ihm geholfen hatte, lautete sein brandheißer Tipp: »Verschwinde, solange du noch kannst.«
Galen war in diesem Moment bewusst geworden, dass er sein Leben weggeworfen hatte. Er tat das Gleiche mit dem erbeuteten Schmuck, der ihn nur belasten und schlimmstenfalls verraten würde.
Jetzt war für ihn die Zero gefallen.
Sein Verschwinden hinterließ allenfalls eine kleine Lücke, aber da war niemand, an den er denken musste, auch niemand, der zurückblieb.
Er hatte eiligst einige Sachen zusammengepackt, seinem Vermieter einen Brief geschrieben, in dem er nur wenig erklärte, ihm dafür den gesamten Hausrat und das Mobiliar überschrieb.
Seinem Arbeitgeber eröffnete er, es ginge um eine schwerwiegende persönliche Angelegenheit, weswegen er hiermit seinen Ausstieg und seinen Rückzug aus dem Geschäft erkläre. Dieser Anruf war der letzte, den er erledigt hatte. Aus und vorbei.
Er hatte sich in den Zug gesetzt und während der Fahrt Zeitung gelesen. Vom Überfall am Abend zuvor berichtete die Presse noch nichts, das war auch nicht der Grund, weshalb er sich eine Zeitung vorhielt. Er wollte nur nicht angesprochen werden.
Dann war er schließlich bei den Todesanzeigen gelandet, mit einem dicken schwarzen Rand und einem Kreuz. Das schien ihm sehr passend, sein Bein starb ohnehin einen langsamen Tod, wie er damals annahm.
Irgendwann war Galen ausgestiegen, und das dicke Kreuz hatte ihn in ein Bestattungsinstitut geführt und zu Roman Friedrich. Unter den Todesanzeigen war eine dezent aufgemachte Werbung platziert gewesen. Sie gehörte zu einem anderen Bestatter in einer anderen Stadt, doch der Gedanke, dass ihn bei den Toten niemand vermuten würde, ließ es ihn versuchen. Zufrieden, irgendwo angekommen zu sein, hatte er genommen, was man ihm anbot. Er hatte wieder auf ehrliche Weise Geld verdient.
Bis Roman Friedrich an einem Tag im Winter sagte: »Erzähl’s mir.«
Galen hatte nicht erst gefragt, was er meinte. Seine Kleidung, wie auch alles andere an ihm, hatte ihn schon vom ersten Tag an als jemanden enthüllt, der sich bisher nur selten die Hände schmutzig gemacht hatte, der vor etwas floh, auch wenn Roman in seinen Überlegungen ganz sicher nicht auf den Spielbankräuber gekommen wäre,
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