Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman
pfeifend.
Abwägend sah Sophie zu dem Haus hinüber. Die Tür schied aus, vermutlich war sie ohnehin verschlossen, und es war zu auffällig, wenn sie es mitten auf der Straße versuchten. Auf der einen Seite schloss das Nachbarhaus übergangslos an, während es auf der anderen Seite an eine schmale Gasse grenzte, die von der Barfüßerstraße steil hinab zur Untergasse führte. Für sie wäre es vielleicht möglich, dort hinaufzuklettern und durch eins der Fenster einzusteigen, aber Wilhelm konnte ihr dabei nicht folgen. Doch es gab noch eine andere Möglichkeit.
»Die Kellerluke.« Sophie schalt sich eine Närrin, erst jetzt darauf zu kommen. Wie viele Häuser, die am Hang lagen, hatte auch das der Wittgens seitlich einen Zugang, der in den gemauerten Keller führte. »Ich versuche sie zu öffnen, und du passt auf, dass niemand kommt«, flüsterte sie aufgeregt und fasste seine Hand. Fast hätte sie sie wieder losgelassen, so erschreckte sie sich über Wilhelms feuchte und kalte Finger. Besorgt sah sie ihn an. Sein Gesicht war fahl vor Anstrengung, und auf seiner Stirn glänzte trotz der Kälte Schweiß. »Willst du nicht doch lieber warten?«
»Und dich alleine lassen? Nein.« Wilhelms Lippen formten eine schiefe Grimasse, die wahrscheinlich Zuversicht signalisieren sollte. »Los. Ich komme nach.«
Sophie maß ihn mit einem zweifelnden Blick, nickte dann aber und zog den Kopf zwischen die Schultern, ehe sie über die Straße eilte. Doch es schien niemand Notiz von ihr zu nehmen, nur die Katze hob kurz den Kopf. Sophies Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie neben dem Kellerzugang stehen blieb und in Gedanken bis zehn zählte. Sie war im Begriff, in ein Haus einzubrechen, wurde ihr bewusst, aber sie schob den Gedanken hastig fort. Wenn sie die Hexe retten wollte, blieb ihr nur diese Möglichkeit.
Die Luke war nur durch einen einfachen Stift gesichert, der sich problemlos entfernen ließ, leichter als erwartet. Nun musste sie nur noch Wilhelm winken, dass er ihr folgte, doch sie zögerte. Sie hatte ihn schon mit dem Marsch zum Frauenberg in Gefahr gebracht, und auch, wenn er sich bemühte, ihr gegenüber tapfer zu wirken, entging ihr sein schlechter Zustand nicht. Besser, er blieb draußen und wartete, doch darauf würde er sich nicht einlassen, wenn sie ihm die Wahl ließ. Also durfte sie ihn nicht fragen.
Kurz entschlossen hob Sophie die Luke an und raffte ihren Rock, um hineinzusteigen. Der Durchgang war niedrig. Sie musste den Kopf einziehen und spürte, wie sie mit dem Haar durch Spinnenweben strich. Sophie versuchte, sich den Weg zwischen den Regalen und Fässern einzuprägen, ehe sie die Luke hinter sich schloss.
Unsicher blinzelte sie in die plötzliche Finsternis, die sie für einen Moment orientierungslos zurückließ. Nur langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. Durch die Ritzen der Luke drang ein wenig Licht, und irgendwo weiter hinten, wo sie eine Stiege ausgemacht hatte, schien eine weitere Tür zu sein.
Vorsichtig tastete sich Sophie durch den finsteren Raum. Es roch muffig, nach Feuchtigkeit, die seit Jahrhunderten das Mauerwerk durchdrungen hatte, und erdig nach Sandstein und Lehm. Irgendwo in der Dunkelheit raschelte etwas, vermutlich eine Ratte, die sich über den seltsamen Eindringling wunderte. Einmal stieß sie gegen ein Fass, unterdrückte im letzten Moment einen Laut und schlich mit zusammengebissenen Zähnen weiter, bis sie endlich die Treppe erreicht hatte. Auf Zehenspitzen stieg sie hinauf, angespannt bis unter die Haarwurzeln auf die knarrende Stufe wartend, die es in jeder Holztreppe mindestens einmal gab. Doch zu ihrer Überraschung gelangte sie geräuschlos bis zum oberen Absatz, wo ein schmaler Lichtstreifen unter der Tür den Ausgang verriet.
Sophie hielt den Atem an, während sie das Ohr an die Tür drückte und lauschte. Es war still, keine Schritte, kein unterdrücktes Husten oder das Klappern von Geschirr. Das Haus schien verlassen. Hatten sie sich doch geirrt und Fuchs war längst über alle Berge? Kurz rang sie mit sich, ob sie nicht doch besser wieder verschwinden sollte. Noch konnte sie zurück, niemand würde merken, dass sie hier gewesen war. Doch wenn es noch irgendeine Spur gab, dann wahrscheinlich hier. Sophie holte tief Luft, ihre Hand zitterte, als sie die Tür langsam aufschob. Das alles wäre nicht notwendig, wenn man Julius Glauben schenken würde. Doch wenn man erst Beweise brauchte, dann würde sie welche finden.
Die Angeln knarrten, dass sie
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