Die Tote im Nebel - historischer Krimanlroman
Sache, als dass man damit hinterm Haus hält.«
»In diesem Fall doch«, widersprach Julius unerwartet. »Ich werde einen Teufel tun und mit einer vergifteten Wurst in der Hand Anklage erheben, ohne die Mörderin hieb- und stichfest überführt zu haben.«
»Du glaubst mir also endlich, dass es Katharina war?«, mischte sich Sophie erleichtert ein.
Julius nickte. »Katharina Wittgen hatte einen Grund, Helene zu töten. Weibliche Konkurrenz, eine schlechte Voraussetzung, wenn Stiefmutter und Stieftochter das gleiche Alter haben. Vielleicht wollte sie auch den Weg frei machen für den eigenen Nachwuchs. Und wenn Wachtmeister Schmitt recht hat, gibt es auch einen Grund für Frau Breuers Tod. Habgier.«
»Bringt man aus Habgier seine Freunde um?«, fasste Wilhelm entgeistert nach. Sophie spürte seine Finger an ihrer Hand, die zögerlich über ihren Handrücken strichen.
»Die Abgründe menschlicher Seelen sind ebenso unergründlich wie Gottes Wege. Immerhin geht es in diesem Fall um ein mittleres Vermögen, das die Breuer ihrer Freundin hinterlässt.«
»Wenn ich das richtig verstehe, wissen Sie also bereits, dass sowohl Helene als auch diese Frau Breuer vergiftet wurden«, fasste Jakob zusammen. »Und Sie wollen die Polizey nicht informieren, bis … was geschieht?«
»Bis wir die Morde hieb- und stichfest beweisen können und die Mörderin zu einem Geständnis gebracht haben.«
»Ich verstehe noch nicht, was Hans damit zu tun hat«, warf Sophie ein. »Warum sollte er Wilhelm niederschlagen?«
»Weil ich ihn schon einmal verfolgt habe und ein Student bin. Er scheint Studenten nicht zu mögen.« Wilhelm lächelte zerknirscht. »Ich habe mich sozusagen selbst in Gefahr gebracht.«
»Es ist dennoch wichtig herauszufinden, was diesen Burschen umtreibt«, nickte Julius ernst. »Vielleicht ist er Katharina Wittgens Gehilfe. Wir sollten auch herausfinden, was mit diesen Studenten ist, von denen er gesprochen hat. Jakob? Du hörst dich am besten unter deinen Kommilitonen um. Das alles muss nichts mit den Morden zu tun haben, aber das wissen wir nur sicher, wenn wir dem nachgehen.«
»Nein.«
Julius, der sich schon Sophie zuwenden wollte, stockte. »Wie, nein?«
»Nein.« Jakobs Stimme klang ruhig, aber bestimmt. »Sie kennen sicher die Bedeutung dieses Worts?«
»Ja, aber was … « Julius stockte, und Sophie musste sich ein Grinsen verkneifen bei dem Gedanken daran, dass ihr Vetter anscheinend Widerworte nicht gewohnt war.
Jakob hatte die Arme verschränkt. »Ich möchte Sie daran erinnern, Doktor Laumann, dass mein Bruder und ich weder Ihre Laufburschen noch Lakaien sind«, sagte er mit einer Ruhe, die durch die Schärfe seiner Worte Lügen gestraft wurde. »Wilhelm hilft dem Fräulein Dierlinger, weil sie beide meinen, dass Unrecht geschehen ist. An Ihrer Fehde mit der Marburger Ärzteschaft haben wir keinen Anteil und wünschen auch keinen zu haben. Lassen Sie meinen Bruder und mich aus dem Spiel.«
Sophies Finger legten sich um Wilhelms Hand, als sie sah, wie sich Julius’ Stirn verfinsterte. Doch statt des erwarteten Donnerwetters nickte ihr Vetter nur knapp und wandte sich wieder dem Bett zu. »Sophie, du versuchst, bei diesem neugierigen Ding von einem Dienstmädchen herauszufinden, was es mit den Studenten bei den Wittgens auf sich hat«, beschloss er. »Die wird sich doch irgendwann in der Stadt herumtreiben, dass man sie befragen kann. Ich versuche unterdessen, die Herkunft der vergifteten Wurst aufzuklären.«
»Was soll ich machen?«, ließ sich Wilhelm vernehmen.
»Du erholst dich«, bestimmte Julius und scheuchte Sophie mit einem Wink zur Seite, um sich auf der Bettkante niederzulassen. »So lange, bis sichergestellt ist, dass du das Bett gefahrlos verlassen kannst.«
»Ich kann doch nicht hier tatenlos herumliegen«, jammerte Wilhelm. Sein Blick wanderte Hilfe suchend zu Sophie. »Wie lange muss ich denn hier bleiben?«
»Lang genug, um wieder gesund zu sein«, sagte sein Bruder grimmig.
»Bis ich es Dir als dein Arzt erlaube«, verbesserte Julius mit einem Blick zu Jakob, und Sophie bildete sich ein, für einen winzigen Moment ein selbstgefälliges Glitzern in seinen Augen gesehen zu haben.
X
Wenn es in Marburg jemanden gab , der über alles und jeden Bescheid wusste, dann war das Anna. Sophie verglich sie gerne mit einer Fama, wie sie sich die antiken Dichter ausgemalt hatten – eine tausendäugige und tausendohrige Verkörperung von Klatsch und Tratsch, der nichts entgehen konnte.
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