Die Tote im Ritz - Ein Fall fuer Detective Joe Sandilands
einem langen Blick auf sein Gemälde wanderten sie zum Haus. Er hielt vage Ausschau nach Dorcas, um sich von ihr vom Gelände führen zu lassen, aber schließlich war es Reid, der auf sie wartete.
»Ich werde Mrs. Joliffe davon in Kenntnis setzen, dass Sie aufbruchsbereit sind, Sir. Würden Sie mir bitte in die Eingangshalle folgen?«
Er reichte ihnen ihre Hüte und ließ sie am Fuß der ziemlich beeindruckenden Treppe stehen. Die Spätnachmittagssonne hatte die Fassade verlassen, und schräge Schatten krochen allmählich über den schachbrettgemusterten Marmorboden. Eine imposante Pendeluhr surrte, klickte und räusperte sich, bevor sie zu ihrem melodiösen Schlag ansetzte, und als der letzte Ton allmählich verklang, gesellte sich Mrs. Joliffe zu ihnen. Sie eilte mit einem diskreten Rascheln von Seide herbei, eine Whistler-Symphonie in Grau und Weiß und Schwarz.
»Reid, Sie können sich jetzt wieder Ihren Pflichten widmen. Ich geleite unsere Gäste hinaus.« Sie sah sich übertrieben um, die Augenbrauen in strengem Humor zuckend. »Ich sehe, Sie haben keine Gefangenen gemacht, Commander? Hat niemand gestanden?«
»Ich habe mehrere Geständnisse gehört, Madam, alle überraschend, aber keines von ihnen betraf einen Mord«, erwiderte Joe höflich.
Eine Tür zu einem der oberen Zimmer wurde laut zugeschlagen, und alle wandten das Gesicht nach oben. Eine Gestalt in Rot trat an den Treppenkopf, eine Hand auf dem Geländer. Mrs. Joliffes Hand fuhr an ihren Hals und sie keuchte: »Bea! Bea?«
Die Gestalt stieg langsam die Treppe hinunter. Der Schock der alten Dame verwandelte sich binnen einer Sekunde in wilde Wut, und ihre Stimme erhob sich kalt und gebieterisch. »Komm sofort herunter!«
Eine kaum wiederzuerkennende Dorcas stieg weiter die Stufen hinunter, unerschütterlich in ihrem würdevollen Schreiten, den schleppenden Saum des Kleides in der Hand. Joe linste durch die zunehmende Dunkelheit. Ja, es konnte nur Dorcas sein, aber es war eine verwandelte Dorcas. Das rote Kleid aus irgendeinem fließenden Stoff reichte bis zu den Knöcheln, obwohl sie versucht hatte, es mit Sicherheitsnadeln an ihren Schultern zu befestigen. Ihr Gesicht war geschminkt, dunkle Augen und leuchtend rote Lippen. Sie biss sich auf die Unterlippe, so sehr musste sie sich auf ihren gefährlichen Abstieg konzentrieren.
Joes Unterkiefer klappte herab. Armitage, der hinter ihm stand, flüsterte: »Mensch! Ich muss schon sagen! Die Kleine ist bombig!«
Mrs. Joliffe erholte sich als Erste. »Nun, die Frage lautet doch«, kommentierte sie bissig, »kleidet Dorcas tomatenrot ?«
Dorcas kam am Fußende der Treppe an, machte einen großen Bogen um ihre Großmutter und reichte den anderen die Hand. Mit formeller Stimme verabschiedete sie sich und meinte, sie freue sich schon darauf, sie wiederzusehen. Alle antworteten höflich, und mit einem Nicken in Richtung Mrs. Joliffe traten sie nach draußen und schlossen hinter sich die Tür.
Im Gehen schaute Joe noch einmal zu der winzigen, impulsiven und lächerlichen Gestalt von Dorcas und erhaschte ihren raschen, ängstlichen Blick über ihre Schulter zu ihrer Großmutter. »Gehen Sie schon voraus. Ich komme gleich zum Wagen nach.«
Er senkte den Kopf und lauschte schamlos an der Tür. Nicht einmal das dicke Eichenholz war der Aufgabe gewachsen, die wütende Stimme zu dämpfen.
»Was hast du dir dabei gedacht, du dumme, kleine Kreatur? Nein - mach dir nicht die Mühe, es zu erklären. Es liegt auf der Hand! Du hast versucht, die Aufmerksamkeit des Sergeants auf dich zu lenken, nicht wahr? Müssen wir jetzt davon ausgehen, dass du vor jedem gut aussehenden, jungen Mann herumstolzierst, der hier auftaucht? Und dafür auch Kleider stiehlst? Du bist genau wie deine Zigeunermutter! Wie kannst du glauben, du könntest jemals in etwas von Bea passen? Du siehst unnatürlich und verderbt aus - geh und wasch dir das Gesicht!« Und auf dem Höhepunkt ihres Zorns: »Wenn du Farbe willst, dann gebe ich dir Farbe!«
Der widerhallende Schlag veranlasste Joe, die Tür aufzustoßen und in die Halle zu schreiten. »Meine Damen! Ich bitte um Entschuldigung«, rief er fröhlich, »ich fürchte, ich habe mein Notizbuch im Salon vergessen. Nein!« Er hob eine Hand. »Machen Sie bitte weiter, lassen Sie sich von mir nicht stören. Ich hole es. Ich weiß genau, wo ich es liegen ließ.«
Er eilte in den Salon, zog das Notizbuch aus seiner Jackentasche und kehrte zurück, winkte damit und lächelte triumphierend. Mrs.
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