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Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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sagte er beharrlich.
    »Sie glauben also, daß ich Sie anlüge«, sagte ich.
    Er wirbelte seinen Hut um seinen knochigen Zeigefinger. »Sie
    mißverstehen mich, Mr. Marlowe. Wir glauben überhaupt nichts.
    Das einzige, was wir machen: wir ermitteln und untersuchen. Reine
    Routinesache. Sie sollten das wissen. Sie sind doch lange genug da‐
    mit vertraut.« Er stand auf und setzte seinen Hut auf. »Lassen Sie mich doch bitte wissen, falls Sie die Absicht haben, die Stadt zu verlassen. Ich wäre Ihnen jedenfalls sehr dankbar.«
    Ich sagte, ich würde es ihn wissen lassen, und begleitete ihn zur Tür. Er verabschiedete sich mit einem Kopfnicken und mit einem traurigen halben Lächeln. Ich sah ihn träge den Flur entlangschlen-dern und den Liftknopf drücken.
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    Ich kehrte zu meiner Frühstücksecke zurück, um nachzusehen, ob
    noch Kaffee da war. Es war noch eine knappe Tasse da. Ich nahm mir Milch und Zucker und trug meine Tasse zum Telefon. Ich rief das Polizeipräsidium an, fragte nach der Kriminalpolizei und dann
    nach Lieutenant Floyd Greer.
    Eine Stimme sagte: »Lieutenant Greer ist nicht in seinem Büro.
    Darf ich Ihnen jemand anderen geben?«
    »Ist De Soto da?«
    »Wer?«
    Ich wiederholte den Namen.
    »Wissen Sie seinen Rang und seine Abteilung?«
    »Er ist ein Ziviler, mehr oder weniger.«
    »Einen Augenblick, bitte.«
    Ich wartete. Die das ›R‹ rollende Männerstimme meldete sich nach
    einer Weile wieder und sagte: »Soll das ein Witz sein? Es gibt hier keinen De Soto. Wer spricht dort?«
    Ich legte auf, trank meinen Kaffee aus und wählte die Nummer
    von Derace Kingsleys Büro. Die elegante und kühle Miss Fromsett sagte, daß er den Augenblick gekommen sei, und stellte mich mit einem Murmeln durch.
    »Na«, sagte er laut und kraftvoll am Beginn eines neuen Tages:
    »Haben Sie im Hotel was herausgefunden?«
    »Sie war tatsächlich da. Und hat sich dort mit Lavery getroffen.
    Der Hoteldiener, der mir diesen Tip gegeben hat, erwähnte ihn ganz
    von allein, ohne irgendeinen Wink von mir. Er hat mit ihr gegessen,
    und sie sind zusammen im Taxi zum Bahnhof gefahren.«
    »Ich hätte es mir denken sollen, daß er gelogen hat«, sagte Kings‐
    ley langsam. »Aber ich hatte den Eindruck, daß er überrascht war, als ich ihm von dem Telegramm aus El Paso erzählte. Ich lasse mich
    zu sehr von meinen Eindrücken beeinflussen. Sonst noch was?«
    »Dort nicht. Aber ein Polizist hat mich heute morgen besucht, um
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    mir die üblichen Fragen zu stellen und mich zu warnen, daß ich die
    Stadt nicht verlassen solle, ohne ihm Bescheid zu geben. Er hat ver‐
    sucht, rauszufinden, warum ich in Puma Point war. Ich hab’s ihm nicht gesagt. Und da er nicht mal was von Jim Pattons Existenz wußte, hat Patton offenbar auch niemand etwas erzählt!«
    »Jim wird sein Möglichstes tun, um die Sache vertraulich zu behandeln«, sagte Kingsley. »Warum haben Sie mich gestern abend
    nach einem Namen gefragt. Nach Mildred Soundso?«
    Ich berichtete es ihm in aller Kürze. Ich berichtete ihm, wie und wo Mildreds Auto und ihre Kleider gefunden wurden.
    »Das sieht schlecht für Bill aus«, sagte er. »Ich kenne Coon Lake, aber es wäre mir nie in den Sinn gekommen, den alten Holzschuppen zu benutzen. Nicht mal, daß da ein Holzschuppen ist, wäre mir
    eingefallen. Das sieht mehr als schlecht aus. Das sieht nach Vorsatz
    aus.«
    »Ich bin da andrer Meinung. Wenn er die Gegend so gut kennt, hätte es ihn kaum Zeit zum Überlegen gekostet, um ein geeigneteres
    Versteck zu finden, zumal es nicht allzu weit weg sein durfte.«
    »Möglich. Was haben Sie jetzt vor?« fragte er.
    »Ich muß mir natürlich Lavery noch mal vorknöpfen.«
    Er stimmte mir zu. Das sei vordringlich. Er fügte hinzu: »Und das
    andere, so tragisch es auch ist, ist eigentlich nicht unsere Angelegenheit, nicht wahr?«
    »Nicht, wenn Ihre Frau nichts damit zu tun hat.«
    Seine Stimme wurde schärfer. Er sagte: »Hören Sie zu, Marlowe, ich glaube, daß ich Ihre berufliche Neigung verstehen kann, alles, was passiert ist, zu einem einzigen Knoten verknüpfen zu wollen.
    Aber diese Neigung darf nicht mit Ihnen durchgehen. Im Leben
    paßt nicht immer alles zusammen, jedenfalls nicht, wie ich das Leben kenne und verstehe. Überlassen Sie die Angelegenheit der bei‐
    den Chess der Polizei und strengen Sie Ihr Hirn ausschließlich für die Kingsleys an.«
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    »Okay«, sagte ich.
    »Ich will Ihnen natürlich nichts vorschreiben«, sagte er.
    Ich lachte herzlich, sagte

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