Die Tote im See
seinem eigenen Schnar‐
chen aufgewacht, das ihn fast aus dem Sessel gepustet hätte. Er hü‐
stelte, kratzte sich seine Nase mit einer dünnen eingetrockneten Hand und fummelte eine goldene Taschenuhr aus seiner Weste. Er
stierte lustlos auf die Uhr, steckte sie wieder weg und nickte wieder
ein.
Ich langte in meine Tasche und legte Kingsley den Revolver in die
Hand. Er schaute ihn verzweifelt an.
»Ich weiß es nicht«, sagte er langsam. »Er sieht genauso aus.
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Trotzdem bin ich nicht sicher.«
»Er hat seitlich eine Seriennummer«, sagte ich.
»Kein Mensch erinnert sich an die Seriennummer seines Revol‐
vers.«
»Ich habe schwer gehofft, daß Sie die Nummer vergessen haben«,
sagte ich. »Es hätte mich sonst sehr beunruhigt.«
Seine Hand umklammerte den Revolver, dann legte er ihn neben
sich in den Sessel.
»Der dreckige Kerl, der«, sagte er leise. »Er muß sie tief verletzt haben.«
»Das kapiere ich nicht«, sagte ich. »Für Sie ist das kein Motiv, weil
Sie ein zivilisierter Mensch sind. Aber für Ihre Frau ja.«
»Das ist nicht dasselbe«, sagte er gereizt. »Frauen sind eben impul‐
siver als Männer.«
»Ja, ja. Und Katzen sind impulsiver als Hunde.«
»Was soll das heißen?«
»Manche Frauen sind impulsiver als manche Männer. Mehr heißt
das nicht. Wir müssen uns schon ein besseres Motiv ausdenken,
wenn Sie wollen, daß es Ihre Frau gewesen ist.«
Er wandte mir seinen Kopf zu und schickte mir einen gleichgülti‐
gen Blick, ohne die geringste Spur von Belustigung. Um seine
Mundwinkel bildeten sich harte Falten.
»Ich glaube kaum, daß uns solche Witze weiterhelfen«, sagte er.
»Die Polizei darf diesen Revolver nicht zu sehen bekommen. Crystal
hat einen Waffenschein, der Revolver ist also registriert. Die wissen
also im Unterschied zu mir die Nummer. Sie dürfen ihn nicht finden.«
»Leider weiß Mrs. Fallbrook, daß ich den Revolver habe.«
Er schüttelte eigensinnig den Kopf. »Darauf müssen wir es an‐
kommen lassen. Ja, ja, ich weiß, für Sie ist das riskant.
Aber ich werde Ihnen das entsprechend vergüten. Wenn man nach
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den Umständen auf Selbstmord schließen könnte, würde ich sagen,
bringen Sie den Revolver zurück. Aber nach Ihrer Schilderung sieht
es ja nicht so aus.«
»Nein. Es sei denn, er hat dabei dreimal daneben geschossen. Au‐
ßerdem kann ich keinen Mord vertuschen, nicht einmal für den stol‐
zen Preis von zehn Dollar. Der Revolver muß zurück.«
»Ich habe schon an etwas mehr Geld gedacht«, sagte er ruhig. »Sa‐
gen wir an fünfhundert Dollar.«
»Und was gedenken Sie damit zu kaufen?«
Er beugte sich dicht zu mir. Sein Blick war ernst und kühl, aber nicht fest. »War da noch was in Laverys Haus, vom Revolver mal abgesehen, das auf Crystals Anwesenheit hindeutete?«
»Ein schwarzweißes Kostüm und ein Hut. Genau wie es der Ho‐
teldiener in Bernardino beschrieben hatte. Vielleicht noch ein Dutzend anderer Dinge, von denen ich keine Ahnung habe. Ziemlich
sicher werden da Fingerabdrücke sein. Sie sagen zwar, daß ihre Fin‐
gerabdrücke nie registriert worden sind, aber das heißt nicht, daß sich die Polizei keine verschaffen kann. Ihr Schlafzimmer ist voll davon. Oder das Blockhaus am Little Fawn Lake. Oder ihr Auto.«
»Wir müssen das Auto…« fing er an. Ich unterbrach ihn.
»Zwecklos. Es bleiben immer genug andre Sachen für die Polizei übrig. Was für ein Parfüm hat sie benutzt?«
Einen Augenblick war er verwirrt. »Oh – Gillerlain Regal, den
Champagner unter den Parfüms«, sagte er hölzern. »Und von Zeit zu Zeit irgendein Chanel Nummer soundso.«
»Wie riecht das Zeug ungefähr?«
»Nach Sandelholz. Nach Sandelholz Chypre.«
»Das Schlafzimmer schwimmt förmlich darin«, sagte ich. »Für
mich roch es billig. Aber ich verstehe nicht viel davon.«
»Billig?« sagte er gekränkt. »Billig, sagen Sie? Wir bekommen
dreißig Dollar für die Unze.«
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»Mir roch das eher nach drei Dollar für ’n Liter.«
Er legte seine Hände auf die Knie und schüttelte den Kopf.
»Lassen Sie uns übers Geld reden«, sagte er. »Fünfhundert Dollar.
Einen Scheck, jetzt sofort.«
Ich ließ seine Bemerkung wie eine schmutzige Feder zu Boden
flattern. Einer der Knaben hinter uns rappelte sich mühsam hoch und stolperte schwerfällig aus dem Raum.
Kingsley sagte ernst: »Ich habe Sie engagiert, damit Sie mich vor einem Skandal bewahren und natürlich auch, damit Sie meine Frau
beschützen,
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