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Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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Nur noch
    die leeren Augen des Todes.
    Sie tritt ein und dreht die Dusche ab. Sie schließt die Bade-118
    zimmertür. Beim Verlassen des Hauses wirft sie den Revolver auf den Teppichboden der Treppe. So gleichgültig sollte sie nicht sein.
    Aber vielleicht ist es der Revolver des Toten.
    Stimmt das? Hoffentlich.
    Ich beugte mich vor und faßte seinen Arm. Eis hätte weder kälter
    noch steifer sein können. Ich verließ das Badezimmer, ohne abzuschließen. Wozu auch. Es hätte den Bullen nur unnötige Arbeit ge‐
    macht.
    Ich ging zurück ins Schlafzimmer und zog das Taschentuch unter
    dem Kopfkissen heraus. Es war ein kleines Leinentaschentuch, mit Spitzen rot umsäumt. Es hatte zwei rot eingestickte Anfangsbuchstaben, A. F.
    »Adrienne Fromsett«, sagte ich und lachte. Es war ein ge‐
    spenstisches Lachen.
    Ich wedelte mit dem Taschentuch, um den Sandelholzgeruch ab‐
    zuschwächen, wickelte es in ein Papiertuch und steckte es in die Tasche. Ich ging die Treppe hinauf ins Wohnzimmer und wühlte
    mich durch den Schreibtisch, der an der Wand stand. Ich entdeckte
    weder aufschlußreiche Briefe noch interessante Telefonnummern
    oder verräterische Streichholzheftchen. Vielleicht entdeckte ich sie doch und bemerkte es nur nicht.
    Ich sah mich nach dem Telefon um. Es stand auf einem kleinen Wandbrett neben dem Kamin. Es hatte eine lange Schnur, so daß Mr. Lavery bequem auf seinem breiten Sofa liegen konnte, während
    er telefonierte: mit einer Zigarette zwischen seinen hübschen braunen Lippen, einem großen kühlen Drink auf dem Tisch an seiner Seite und jede Menge Zeit für ein nettes, langes, zärtliches Geplau-der mit einer Freundin. Ein Gespräch, leicht und flach, voller Schmeicheleien und kleiner Scherze, nicht zu feinfühlig, aber auch nicht zu derb – grade so, wie er es mochte.
    Aber das war auch vorbei. Ich ließ das Telefon sein, ging zur Tür,
    wo ich den Riegel so einstellte, daß ich sie später wieder öffnen 119
    konnte. Ich zog die Tür zu, bis das Schloß halb einschnappte. Ich ging den Weg hoch zur Straße und blickte, während ich in der Sonne stand, zu Dr. Almores Haus hinüber.
    Niemand schrie oder stürzte aus der Tür. Keiner pfiff auf einer Po‐
    lizistenpfeife. Alles war still, sonnig und friedlich. Offenbar gab es keinen Grund zur Aufregung. Da war ja auch nur Marlowe, der eine
    weitere Leiche gefunden hatte. Allmählich kann er das schon ganz gut. Pro‐Tag‐ein‐Mord‐Marlowe, so könnte man ihn nennen. Und
    am besten war’s, man schickte ihm den Leichenwagen hinterher,
    wenn er seinem Beruf nachgeht.
    Ein ganz netter Kerl, fast genial auf seine Art.

    Ich ging zurück bis zur Kreuzung, stieg in meinen Wagen, startete,
    setzte kurz zurück und fuhr weg.
    Der Portier vom Athletic Club war nach drei Minuten zurück und
    nickte mir zu, ihm zu folgen. Wir fuhren zum vierten Stock hoch und gingen um eine Ecke, wo er mir eine halbgeöffnete Tür zeigte.
    »Bitte nach links, Sir. Aber bitte so leise wie möglich. Einige der Clubmitglieder schlafen.«
    Ich kam in die Bibliothek. Sie war voller Bücher hinter Glasschei‐
    ben und Zeitschriften auf einem langen Tisch in der Mitte. Man sah
    das angeleuchtete Porträt des Gründers. Aber ihr eigentlicher
    Zweck schien der Mittagsschlaf zu sein. Herausgezogene Bücher‐
    wände teilten den Raum in lauter kleine Kojen, in denen unvorstell‐
    bar große und weiche Ledersessel mit hohen Lehnen standen. In
    einigen dieser Sessel schlummerten friedlich ein paar alte Knaben, ihre Gesichter waren vom hohen Blutdruck violett angelaufen, und
    ab und zu drang gequältes Schnarchen aus ihren gepreßten Nasen.
    Ich kletterte über ein paar ausgestreckte Beine und schlich mich nach links. Derace Kingsley war ausgerechnet in der letzten Koje am
    Ende des Raums. Er hatte zwei Sessel nebeneinandergestellt, ihre Vorderseite wies in die Ecke. Sein großer dunkler Kopf ragte ein 120
    wenig über eine Lehne hinaus. Ich setzte mich in den leeren Sessel und nickte ihm kurz zu.
    »Sprechen Sie leise«, sagte er. »Hier ist man beim Mittagsschlaf.
    Was ist denn nun schon wieder los? Als ich Sie engagiert habe, woll‐
    te ich mir eigentlich Ärger vom Hals schaffen. Ich wollte jedenfalls
    keinen neuen zusätzlichen Ärger. Wegen Ihnen habe ich eine wich‐
    tige Verabredung versäumt.«
    »Kann ich mir denken«, sagte ich und beugte mein Gesicht nah zu
    seinem. Er roch leicht nach Whisky. »Sie hat ihn erschossen.«
    Seine Augenbrauen zuckten hoch, und sein Gesicht

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