Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
Vom Netzwerk:
Kontakt ein und sprach. Eine Tür öffnete sich, und Miss Fromsett schwebte elegant zu ihrem Tisch, setzte sich und gab mir einen ihrer kühlerwartungsvollen Blicke.
    »Ja, Mr. Marlowe? Mr. Kingsley ist nicht hier. Es tut mir leid.«
    »Ich komme gerade von ihm. Wo können wir uns unterhalten?«
    130
    »Unterhalten?«
    »Ich möchte Ihnen etwas zeigen.«
    »Ach ja?« Sie sah mich nachdenklich an. Wahrscheinlich wollten
    schon viele Männer ihr etwas zeigen, inklusive ihre Briefmarken-sammlungen. Bei anderer Gelegenheit wäre ich nicht abgeneigt ge‐
    wesen, ein solches Spielchen zu spielen.
    »Geschäftlich«, sagte ich. »Es betrifft Mr. Kingsley.«
    Sie stand auf und öffnete die Trennwand. »Wir können ja dann in
    sein Büro gehen.«
    Wir gingen hinein. Sie hielt mir die Tür. Ich schnupperte, als ich an
    ihr vorbeiging. Sandelholz. Ich sagte:
    »Gillerlain Regal, der Champagner unter den Parfüms?«
    Sie lächelte schwach, während sie die Tür hielt:
    »Bei meinem Gehalt?«
    »Ich hab nicht von Ihrem Gehalt gesprochen. Sie sehen nicht wie ein Mädchen aus, das sich sein Parfüm selbst kaufen muß.«
    »Sie haben recht. Es ist Gillerlain Regal«, sagte sie. »Und wenn es
    Sie interessiert, ich mag das überhaupt nicht, Parfüm im Büro. Aber
    er verlangt es.«
    Wir gingen durch den langen, dunklen Raum, und sie setzte sich
    auf den Stuhl hinter dem Schreibtisch. Ich setzte mich auf den Stuhl,
    auf dem ich tags zuvor gesessen hatte. Wir sahen uns an. Sie trug heute Hellbraun, ein gefälteltes, am Hals geschlossenes Jäckchen. Sie
    sah etwas weniger kühl als gestern aus, aber noch lange nicht wie eine lodernde Prärie.
    Ich bot ihr eine von Kingsleys Zigaretten an. Sie nahm sie, zündete
    sie mit seinem Feuerzeug an und lehnte sich zurück.
    »Wir sollten keine Zeit damit verlieren, uns gegenseitig zu miß‐
    trauen«, sagte ich. »Sie wissen längst, wer ich bin und was ich tue.
    Wenn Sie’s gestern noch nicht wußten, dann nur, weil er gern den dicken Max markiert.«
    131
    Sie blickte hinunter zu ihrer Hand auf dem Knie, dann blickte sie
    wieder auf und lächelte beinahe schon.
    »Er ist ein phantastischer Mensch«, sagte sie. »Trotz des Chef-Gehabes, das er so gerne vorführt. Eigentlich ist er der einzige, der
    noch darauf hereinfällt. Und wenn Sie wüßten, was er von der klei‐
    nen Schlampe auszustehen hatte…« Sie gestikulierte mit ihrer Ziga‐
    rette. »Aber davon sollte ich besser nicht reden. Weswegen wollten
    Sie mich sprechen?«
    »Kingsley hat mir erzählt, daß Sie die Almores kannten?«
    »Ich habe Mrs. Almore gekannt. Das heißt, ich habe sie ein paarmal getroffen.«
    »Wo?«
    »Bei Bekannten. Warum fragen Sie?«
    »Bei Lavery?«
    »Ich hoffe, Sie wollen nicht unverschämt werden, Mr. Marlowe?«
    »Ich weiß nicht, was Sie darunter verstehen. Ich muß mit Ihnen geschäftlich sprechen. Geschäftlich und nicht auf höchster diploma-tischer Ebene.«
    »Schon gut«, sie nickte leicht. »In Chris Laverys Haus. Ja. Ich war
    da eingeladen, gelegentlich. Zu Cocktailpartys.«
    »Dann hat also Lavery die Almores gut gekannt – zumindest Mrs.
    Almore?«
    Sie errötete ganz leicht. »Ja. Ziemlich gut.«
    »Und eine Menge andrer Frauen auch. Und auch ziemlich gut. Ich
    hab da keine Zweifel. Hat sie auch Mrs. Kingsley gekannt?«
    »Ja. Und besser als ich. Sie nannten sich beim Vornamen. Mrs. Al‐
    more ist tot. Sie hat Selbstmord begangen. Ungefähr vor anderthalb
    Jahren.«
    »Ist daran irgendwas zweifelhaft?«
    Sie hob ihre Augenbrauen, aber es sah irgendwie gekünstelt aus, so als ob es nur die schickliche Reaktion auf meine Frage wäre.
    132
    »Warum fragen Sie so eigenartig danach? Ich meine, hat es was mit dem zu tun… ich meine, woran Sie arbeiten?«
    »Vermutlich nicht. Ich weiß es jedenfalls noch nicht. Aber gestern
    hat Dr. Almore einen Polizisten auf mich gehetzt, bloß weil ich auf
    sein Haus geschaut habe. Nachdem er durch meine Autonummer
    rausgefunden hatte, wer ich bin. Der Bulle ist ziemlich grob mit mir
    umgesprungen, bloß weil ich dort war. Er wußte nicht, was ich da suchte, und ich hab ihm nicht erzählt, daß ich bei Lavery war. Aber
    Dr. Almore muß es gewußt haben. Er hat mich vor Laverys Haus gesehen. Jetzt frage ich Sie, warum meinte er, es sei deswegen nötig,
    nach der Polizei zu rufen? Und warum hielt es der Polizist für ange‐
    bracht, mir damit zu drohen, daß der letzte Kerl, der es versucht hätte, im Gefängnis gelandet sei? Und warum hat er mich gefragt, ob

Weitere Kostenlose Bücher