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Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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sind«, sagte ich,
    »wozu hat sie dann das Telegramm geschickt?«
    »Ich hab nicht die leiseste Idee.«
    »Geben Sie sich ’n bißchen mehr Mühe«, sagte ich. Ich zeigte auf den Manzanitastrauß vor dem Kamin. »Haben Sie den oben am Little Fawn Lake gepflückt?«
    »Die Hügel hier in der Umgebung sind voll davon«, sagte er ge-ringschätzig.
    »Aber die blühen nicht so schön wie Ihre da.«
    Er lachte. »Ich war in der dritten Maiwoche oben. Wenn Sie es ganz genau wissen wollen. Sie können das ja sowieso nachprüfen.
    Damals habe ich sie auch das letzte Mal gesehen.«
    »Und Sie hatten nie die Absicht, sie zu heiraten?«
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    Er blies Rauch aus und sagte durch den Rauch: »Ich hab mal dran
    gedacht, ja. Sie hat Geld, und Geld kann man immer brauchen. Aber
    das wäre dann doch zu schwer verdientes Geld gewesen.«
    Ich nickte, sagte jedoch nichts. Er blickte auf die Manzanitablüten
    am Kamin und lehnte sich zurück, um Rauch in die Luft zu pusten,
    während er mir die kräftigen braunen Linien seines Halses zeigte.
    Nachdem ich eine ganze Weile immer noch nichts gesagt hatte,
    wurde er unruhig. Er sah auf die Karte, die ich ihm gegeben hatte,
    und sagte:
    »Sie lassen sich also zum Dreckaufwühlen kaufen? Lohnt es sich denn wenigstens?«
    »Kaum der Rede wert. Hier ’n Dollar, dort ’n Dollar.«
    »Und jeder davon ziemlich schmierig«, sagte er.
    »Hören Sie, Mr. Lavery, es ist gar nicht nötig, daß wir in den Clinch gehen. Kingsley glaubt, daß Sie wissen, wo seine Frau steckt,
    und es ihm bloß nicht sagen wollen. Entweder aus purer Bosheit oder aus feinstem Zartgefühl.«
    »Und wie hätte er’s denn gern?« höhnte der gutaussehende
    braungebrannte Mann.
    »Das ist ihm egal. Hauptsache, er erfährt was. Es ist ihm ziemlich
    egal, was Sie mit ihr zusammen getrieben haben. Oder wo Sie mit ihr hinwollen. Oder ob sie sich scheiden läßt oder nicht. Er möchte
    nur sichergehen, daß alles okay ist und daß sie nicht in irgendeinem
    Schlamassel steckt.«
    Lavery sah mich interessiert an: »Schlamassel? Was denn für ein Schlamassel?« Er beleckte das Wort mit seinen gebräunten Lippen, als ob er es abschmecken wollte.
    »Kann sein, daß Sie von der Art Schlamassel keine Ahnung haben,
    an das er denkt.«
    »Na, erzählen Sie’s schon!« bat er sarkastisch. »Ich höre schrecklich gern von Schlamasseln, von denen ich keine Ahnung habe.«
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    »Sie sind schon Klasse!« sagte ich ihm. »Keine Zeit, um offen zu reden, aber genug Zeit, um nur ja keinen müden Witz auszulassen.
    Wenn Sie glauben, daß wir Ihnen etwas anhängen wollen, weil Sie
    mit ihr über die Grenze gegangen sind, dann sind Sie schief gewik‐
    kelt.«
    »Ach, rutschen Sie mir den Buckel runter, Sie Klugscheißer! Sie müssen doch erst beweisen, daß ich die Suppe angerührt habe.
    Sonst ist doch nichts bei mir zu holen.«
    »Aus dem Telegramm läßt sich schon was holen«, sagte ich eigen‐
    sinnig. Es klang für mich, als hätte ich den Satz schon öfter gesagt.
    »Wahrscheinlich war das überhaupt nur ein Witz. Sie hatte davon
    mehrere auf Lager. Meistens doofe, aber manche davon ganz schön
    schräg.«
    »Und was soll der Witz sein vom Witz?«
    Er schnippte seine Zigarettenasche achtlos auf den Glastisch. Er warf mir einen raschen Blick zu, sah aber sofort wieder weg.
    »Ich hab mit ihr Schluß gemacht«, sagte er langsam. »Vielleicht hat
    sie gehofft, sie kriegt mich auf diese Weise zurück. Ich sollte für ein Wochenende zu ihr rauf kommen. Ich bin nicht hingefahren. Ich
    hatte die Nase voll von ihr.«
    Ich sagte »mhm, mhm« und sah ihn lange und fest an.
    »Mir gefällt diese Version nicht so besonders. Ich fand’s besser, wenn Sie mit ihr nach El Paso gegangen wären und sich dort erst geprügelt und dann getrennt hätten. Wie war’s, wenn Sie’s so rum
    erzählten?«
    Er wurde merklich rot unter der Sonnenbräune.
    »Ach, zum Teufel«, sagte er. »Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich
    mit ihr nirgendwohin gegangen bin. Nirgendwohin. Ist das so
    schwer zu behalten?«
    »Ich werd’s behalten, sobald ich’s glaube.«
    Er lehnte sich vor, um seine Zigarette auszudrücken. Er stand mit
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    einer lässigen Bewegung auf, ganz und gar ohne Eile, zog den Gür‐
    tel des Bademantels enger und ging ans Ende des Sofas.
    »Okay«, sagte er mit klarer schmaler Stimme. »Raus mit Ihnen!
    Gewinnen Sie Land! Mir reicht’s mit Ihren Verhörmethoden. Sie
    stehlen mir nur meine Zeit. Und Ihre auch, falls die was wert ist.«
    Ich stand auf und

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