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Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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zu dem Schluß, daß
    es sich nicht lohnte. Jedenfalls nicht, wie die Dinge jetzt lagen.
    Die Vorhänge an einem der unteren Fenster nahe der Seitentür,
    durch die Dr. Almore gegangen war, bewegten sich leicht. Eine ha‐
    gere Hand hielt sie zur Seite, und ich nahm kurz einen Lichtreflex auf einer Brille wahr. Die Vorhänge wurden eine geraume Zeit leicht
    zur Seite gehalten, bevor sie sich wieder schlossen.
    Ich schaute über die Straße zu Laverys Haus. Aus meinem jetzigen
    Blickwinkel sah ich, daß von seiner Veranda eine gestrichene Holz‐
    treppe in einen Zementweg mündete, der seinerseits in Zementstu‐
    fen auf die gepflasterte Allee darunter führte.
    Ich schaute wieder zu Dr. Almores Haus, wobei ich sinnlose Über‐
    legungen darüber anstellte, ob er Lavery kannte und wie gut er ihn
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    kannte. Wahrscheinlich kannten sie sich, weil es nur ihre beiden Häu‐
    ser in diesem Block gab. Aber als Arzt würde er mir nichts über ihn
    sagen. Während ich hinsah, bemerkte ich, daß die Vorhänge, die vor‐
    her nur leicht zur Seite geschoben waren, jetzt ganz geöffnet waren.
    Der Mittelteil des dreiflügligen Fensters hatte keine Scheibengardinen. Dr. Almore stand hinter dem Fenster und blickte mit einem finsteren Stirnrunzeln auf seinem hageren Gesicht in meine Richtung. Ich schnippte meine Zigarettenasche aus dem Fenster, er dreh‐
    te sich abrupt um und setzte sich an einen Tisch. Seine Tasche mit dem Doppelgriff lag vor ihm auf dem Tisch. Er saß starr da und trommelte neben seiner Tasche auf den Tisch. Er langte mit einer Hand nach dem Telefon, griff nach dem Hörer und ließ ihn wieder
    los. Er zündete sich eine Zigarette an, wedelte heftig mit dem Streichholz, kam dann mit langen Schritten zum Fenster und starrte
    mich eine weitere Weile an.
    Das alles kam mir nur deshalb merkwürdig vor, weil er Arzt war.
    Denn in der Regel sind Ärzte die am wenigsten neugierigen Leute.
    Schon als Assistenzärzte werden sie in so viele Geheimnisse einge-weiht, daß sie damit lebenslänglich eingedeckt sind. Dr. Almore zeigte Interesse für mich. Mehr als Interesse: Er war durch meine Anwesenheit beunruhigt.
    Ich wollte gerade den Zündschlüssel drehen, als sich Laverys
    Haustür öffnete. Also nahm ich meine Hand vom Zündschlüssel
    und lehnte mich wieder zurück. Lavery kam rasch den Weg herauf,
    warf einen schnellen Blick über die Straße und ging zu seiner Gara‐
    ge. Er war genauso angezogen wie vorhin. Über seinem Arm trug er
    ein Badetuch und eine Decke. Ich hörte ihn die Garagentür öffnen, dann den Wagen auf und zu machen, dann das Stottern und Husten
    eines startenden Motors. Er fuhr rückwärts die steile Steigung zur Straße hoch, weiße Wolken zitterten aus dem Auspuff. Es war ein schicker kleiner blauer Sportwagen, aus dessen offenem Verdeck
    Laverys geschmeidiger dunkler Kopf wirkungsvoll herausragte. Er
    trug jetzt eine schicke riesige Sonnenbrille mit enormen weißen Bü‐
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    geln. Das Auto schwebte den Block hinunter und tänzelte dann um
    die Ecke.
    Für mich war da nichts zu holen. Mr. Christopher Laverys Be‐
    stimmung war der Strand des großen Pazifik. Dort sollte er in der Sonne liegen, um den Mädchen keinen Augenblick länger seinen
    Anblick vorzuenthalten.
    Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder Dr. Almore zu. Er war
    beim Telefonieren; er redete selber nicht, hielt nur den Hörer an sein
    Ohr, rauchte und wartete. Dann beugte er sich vor, wie man sich vorbeugt, wenn am anderen Ende wieder gesprochen wird, hängte
    ein und notierte sich etwas auf einem Block, der vor ihm lag. Dann
    sah ich ein dickes Buch mit gelben Seiten auf seinem Tisch auftau-chen, er schlug es etwa in der Mitte auf. Während er etwas nach-schlug, warf er einen raschen Blick aus dem Fenster, genau auf den
    Chrysler.
    Er fand, was er suchte, vertiefte sich in das Buch, und hastige Rauchwolken stiegen aus den Seiten in die Luft. Er notierte sich etwas, legte das Buch weg und griff erneut nach dem Telefon. Er wählte, wartete, fing hastig zu sprechen an, stieß den Kopf vor und
    zeichnete mit der Zigarette Figuren in die Luft.
    Er beendete sein Gespräch und legte den Hörer auf. Er lehnte sich
    zurück und saß brütend da. Er starrte auf seinen Tisch, vergaß dabei
    aber nicht, jede halbe Minute aus dem Fenster zu schauen. Er warte‐
    te, und ich wartete mit ihm, ohne daß ich einen triftigen Grund dazu
    gehabt hätte. Ärzte telefonieren viel, sprechen mit vielen Leuten.
    Ärzte schauen aus ihren

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