Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
Vom Netzwerk:
Fenstern, Ärzte blicken finster drein, Ärzte
    zeigen Nervosität, Ärzte haben viele Sachen im Kopf und wirken überanstrengt. Ärzte sind Menschen, zur Sorge geboren, den gleichen langen Kampf kämpfend wie wir ändern alle auch. Aber an
    dem Benehmen dieses einen war etwas, das mich fesselte. Ich sah auf meine Uhr, entschied, daß es Zeit war, um etwas zu essen, zündete mir eine weitere Zigarette an und rührte mich nicht vom Fleck.
    29
    Es dauerte etwa fünf Minuten. Dann wischte ein grüner Wagen
    um die Ecke und kam den Block heruntergerast. Er schlitterte zum
    Halten bis vor das Haus Dr. Almores, und seine lange Peitsche von
    Antenne zitterte. Ein schwerer Mann mit schmutzigblonden Haaren
    stieg aus und ging zu Dr. Almores Eingangstür. Er klingelte und bückte sich, um sich ein Streichholz an der Schwelle anzuzünden.
    Dabei drehte er den Kopf so, daß er genau in meine Richtung schau‐
    en konnte.
    Die Tür wurde geöffnet, und er ging ins Haus. Eine unsichtbare Hand zog die Vorhänge in Dr. Almores Arbeitszimmer wieder zu,
    schloß mich aus. Da saß ich nun und starrte die sonnenabweisenden
    Falten der Vorhänge an. Weitere Zeit versickerte.
    Wieder öffnete sich die Eingangstür, und der schwere Mann
    schlenderte lässig die Stufen hinunter und kam durchs Tor. Er
    schnippte seine Zigarettenkippe weit weg und fuhr sich durchs
    Haar. Plötzlich zuckte er die Achseln, quetschte sein Kinn und spa‐
    zierte quer über die Straße. In der Stille klangen seine Schritte eben‐
    so gemächlich wie bestimmt. Dr. Almores Vorhänge hinter ihm
    wurden wieder geöffnet. Dr. Almore stand im Fenster und beobach‐
    tete die Szene.
    Eine große sommersprossige Hand erschien auf dem Rahmen des
    Wagenfensters neben meinem Ellbogen. Ein großes, von Furchen
    zerklüftetes Gesicht hing darüber. Der Mann hatte Augen von me-tallischem Blau. Er sah mich durchdringend an und sprach mit einer
    tiefen rauhen Stimme.
    »Warten Sie auf jemand Bestimmten?« fragte er.
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Mache ich den Eindruck?«
    »Die Fragen stelle ich.«
    »Na dann. Ich will verdammt sein, wenn das nicht die Antwort
    auf die Pantomime ist.«
    »Was für ’ne Pantomime?« Er schenkte mir einen äußerst un‐
    freundlichen Blick aus seinen sehr blauen Augen.
    30
    Ich deutete mit meiner Zigarette über die Straße. »Das Nerven‐
    bündel da und sein Telefon. Ruft die Bullen an, nachdem er sich wahrscheinlich zuerst meinen Namen vom Autoclub verschafft und
    im Branchentelefonbuch nachgeschlagen hat. Was is’n los?«
    »Ihren Führerschein!«
    Ich gab ihm seinen Blick zurück. »Ihr Brüder zeigt doch sonst im‐
    mer eure Hundemarke – oder ist Grobsein jetzt der einzige Ausweis,
    den ihr braucht?«
    »Wenn ich grob werde, Mann, werden Sie’s schon merken.«
    Ich beugte mich vor, drehte meinen Zündschlüssel und drückte
    auf den Starter. Der Motor sprang an und tuckerte leise vor sich hin.
    »Stellen Sie sofort den Motor ab!« sagte er wild und setzte einen Fuß auf das Trittbrett.
    Ich stellte den Motor wieder ab, lehnte mich zurück und sah ihn an.
    »Gottverdammich«, sagte er. »Wollen Sie, daß ich Sie rauszerre
    und aufs Pflaster setze.«
    Ich zog meine. Brieftasche und gab sie ihm. Er zog die Zelluloid‐
    hülle heraus und sah sich meinen Führerschein an, dann drehte er die Brieftasche um und betrachtete meine Lizenz auf der Rückseite.
    Er rammte sie verächtlich zurück in die Hülle und gab sie mir. Ich
    steckte sie ein. Seine Hand tauchte unter und kam mit einer Poli-zeimarke in Blau und Gold wieder.
    »Degarmo, Lieutenant der Kripo«, sagte er mit seiner schweren
    brutalen Stimme.
    »Sehr erfreut, Lieutenant.«
    »Sparen Sie sich das. Erzählen Sie mir jetzt lieber, warum Sie Dr.
    Almores Grundstück belauern.«
    »Ich belauere Almores Grundstück nicht, wie Sie das nennen,
    Lieutenant. Ich habe noch nie von Dr. Almore gehört, und ich kann
    mir keinen Grund denken, warum ich sein Haus belauern sollte.«
    31
    Er drehte seinen Kopf weg, um auszuspucken. Heute war der Tag,
    wo ich die Knaben traf, die es mit dem Spucken hatten.
    »Womit machen Sie denn dann Ihren Schnitt? Wir können keine
    Schlüssellochspanner hier gebrauchen. Wir haben keinen einzigen in
    der Stadt.«
    »Ist das wahr?«
    »Ja, das ist wahr. Also los, husten Sie’s aus! Es sei denn, Sie möch‐
    ten lieber mit mir ins Clubhaus fahren und es dort unter den hellen
    Lampen ausschwitzen.«
    Ich gab keine Antwort.
    »Hat Sie die Sippschaft von

Weitere Kostenlose Bücher