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Die Tote im See

Die Tote im See

Titel: Die Tote im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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grinste ihn an. »Viel nicht. Aber was sie wert ist,
    das zahlt man mir auch dafür. Könnte es nicht so gewesen sein, daß
    sie beispielsweise ein paar Unannehmlichkeiten in irgendeinem
    Kaufhaus hatte – sagen wir in der Strumpfabteilung oder bei den Schmucksachen?«
    Er blickte mich sehr sorgfältig an, mit an den Ecken heruntergezo‐
    genen Augenbrauen und einem schmal gepreßten Mund.
    »Ich kapiere nichts«, sagte er, aber seine Stimme klang seltsam nachdenklich.
    »Mehr wollte ich nicht wissen«, sagte ich. »Und vielen Dank fürs
    Zuhören. Ach, noch etwas: Welcher Art von Beschäftigung gehen
    Sie nach, seit Sie von Kingsley weg sind?«
    »Was, zum Teufel, geht Sie das an?«
    »Eigentlich nichts. Trotzdem kann ich’s jederzeit rausfinden«, sag‐
    te ich und bewegte mich ein wenig in Richtung Tür. Wirklich nur ein wenig.
    »Im Augenblick mache ich überhaupt nichts«, sagte er kühl. »Ich erwarte jeden Tag meine Einberufung zur Navy!«
    »Sie müßten sich da prächtig ausnehmen«, sagte ich.
    »Ja, bestimmt. Aber jetzt tschüß, Schnüffler. Und vergessen Sie’s Wiederkommen. Ich werde für Sie nicht zu Hause sein.«
    Ich ging zur Tür und öffnete sie. Sie klemmte unten etwas, wohl wegen der Feuchtigkeit, die vom Strand hierher drang. Als ich sie ganz geöffnet hatte, schaute ich zurück zu ihm. Er stand da, mit schmalen Augen, voll beherrschter Wut.
    »Kann schon sein, daß ich wiederkomme«, sagte ich. »Aber das
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    nächste Mal bestimmt nicht, um Witze auszutauschen. Dann wer‐
    den wir über etwas reden müssen, weil ich was rausgefunden ha-be.«
    »Sie glauben also immer noch, daß ich lüge«, .sagte er wild.
    »Ich denke, Sie verbergen was. Ich hab schon zu vielen Leuten ins
    Gesicht geschaut, um so was nicht zu merken. Kann ja sein, daß es
    mich nichts angeht. Aber sollte es mich was angehen, dann kann’s leicht passieren, daß Sie mich noch mal rauswerfen müssen.«
    »Mit dem größten Vergnügen«, sagte er. »Und das nächste Mal
    bringen Sie besser noch jemand mit, der Sie anschließend nach Hau‐
    se transportiert. Falls Sie auf Ihren Hintern fallen oder sich Ihr Hirn verletzen.«
    Und dann spuckte er ohne ersichtlichen Grund auf den Teppich,
    vor seine Füße.
    Es widerte mich an. Es war, als ob man eine Schlange beim Häuten
    beobachtet, während sie etwas Zähflüssiges hinter sich zurückläßt.
    Oder als ob man eine feine Dame auf einmal vulgäre Kraftausdrük‐
    ke ausstoßen hörte.
    »Tschüß, Sie hübscher Musterknabe!« sagte ich und ließ ihn stehen. Ich schloß die Tür mit einiger Mühe und ging den Fußweg zur
    Straße hinauf. Ich stand auf dem Gehsteig und sah das Haus auf der
    anderen Seite.
    Es war ein großes flaches Haus mit rosa Stuckwänden, die zu einem angenehmen schattigen Pastell ausgeblichen waren, mit Fen‐
    sterrahmen, die mattes Grün garnierte. Das Dach bildeten rauhe, grüne, runde Ziegel. Die Eingangstür war tief zurückgesetzt, sie wurde von einem Mosaik aus bunten Steinen umrahmt. Davor lag
    ein kleiner Blumengarten hinter einer niedrigen Stuckmauer, die
    oben von einem Eisengitter abgeschlossen wurde, das unter dem
    Einfluß der Seefeuchtigkeit schon leicht Rost angesetzt hatte. Au‐
    ßerhalb der Mauer stand auf der linken Seite eine Garage, die Platz
    für drei Wagen bot. Ihre Innentür an der Gartenseite war offen, und
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    es führte ein betonierter Weg von dort zu einer Seitentür des Hau‐
    ses.
    In der Mauer war eine Bronzetafel eingelassen. Auf ihr stand: ›Al‐
    bert S. Almore M. D.‹
    Während ich dastand und über die Straße schaute, kam der
    schwarze Cadillac, den ich schon einmal gesehen hatte, um die Ecke
    gesurrt und fuhr den Block herunter. Er bremste und fing an nach außen zu kurven, um besser in die Garage einbiegen zu können.
    Dann stellte er fest, daß mein Wagen diesem Manöver im Weg
    stand, und fuhr deshalb weiter zum Ende der Straße, wo er auf dem
    erweiterten Platz vor dem Eisengitter wendete. Er kam langsam
    zurück und fuhr auf den dritten leeren Garagenplatz.
    Der hagere Mann mit der Sonnenbrille ging auf dem Seitenweg
    zum Haus. Er trug eine Arzttasche mit Doppelgriff. Auf halbem
    Weg blieb er stehen, um nach mir zu sehen. Ich ging auf mein Auto
    zu. Während er die Tür mit einem Schlüssel aufschloß, beobachtete
    er mich abermals.
    Ich setzte mich in meinen Chrysler, rauchte und versuchte mir
    darüber klar zu werden, ob es sich lohnen würde, jemanden zur Beschattung von Lavery zu engagieren. Ich kam

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