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Die tote Schwester - Kriminalroman

Die tote Schwester - Kriminalroman

Titel: Die tote Schwester - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Brueggenthies
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ausgeschlossen. Waren die Wetzells bloß gestorben, weil sie die Entführung des Kindes verhindern wollten?
    Zbigniew las die Akte, schaute sich jedes einzelne Vernehmungsprotokoll an. Mal las er quer, mal intensiv. Es war ein interessanter Fall mit einer komplizierten Spurenlage und unzähligen Aussagen.
    Eines war ihm schnell klar: Die Ermittler hatten ihren Fall nicht auf die leichte Schulter genommen.
    Er spürte geistige Erschöpfung, als er die Lektüre der ersten Akte beendete. Sollte er sich eine Pause gönnen?
    Nein.
    Zbigniew schlug die zweite Akte auf, die mit reichhaltigen Dossiers über die Herkunft der Eltern anfing. Auch in Stommeln waren ein paar Vernehmungen durchgeführt worden. Aber keiner der dort Befragten erwähnte die Nacht, in der der Mercedes gekommen war.
    Zbigniew hatte es mit einem Mal wieder vor Augen. Paul Streithoff, wie er im Regen das Bündel und ein Gewehr auf den Hof brachte.
    Ein Gewehr.
    In Andernach waren zwei Menschen erschossen worden.
    Allerdings nicht mit einem Gewehr, sondern mit einer Mauser 08, einer Waffe, die zu diesem Zeitpunkt vermutlich in jedem deutschen Haushalt existierte.
    Die Verbindung, sie existierte ebenso wie der Regen nur in Zbigniews Fantasie.
    Wie besessen las er die Dokumente der zweiten Akte, hastig und quer, in der Hoffnung, dass ihm nichts Wichtiges entging.
    Und dann war es da.
    Fast hätte Zbigniew es im Papierwust überblättert, doch plötzlich erregte es seine Aufmerksamkeit: eine Notiz, eine Antwort auf eine Anfrage der Ermittler bei der amerikanischen Militärpolizei.
    Es war lediglich ein vages Gefühl. Das Gefühl, auf etwas gestoßen zu sein. Doch es elektrisierte ihn: Wilhelm Wetzell, der vermeintliche Vater von Christina, hatte im Mai 1948 in Köln versucht, bei einem renommierten Kunsthändler ein Gemälde zu verkaufen.
    Fast genau einen Monat vor seinem Tod.
    Das Gemälde, das einem Kölner Händler angeboten worden war, stellte sich nach einer Überprüfung als echter Feininger von außerordentlich hohem Wert heraus. Es war einige Jahre zuvor von den Nazis konfisziert worden, galt als verschollen.
    1948 also war das Bild aufgetaucht, in den Händen der Wetzells.
    Wie kam diese Familie an einen Feininger, fragte sich nicht nur Zbigniew. Auch die Ermittler hatten es sich gefragt, aber keine Antwort darauf gefunden und diese Spur schließlich zugunsten anderer, klarerer Zusammenhänge wieder fallen gelassen.
    Zbigniew blätterte durch die Akte, fand schließlich einen weiteren Vermerk zu diesem Ermittlungsstrang.
    Wetzell war nach dem versuchten Bilderverkauf von einer Spezialeinheit der amerikanischen Armee, der »Art Looting Investigation Unit of the Office of Strategic Services«, vernommen worden, hatte behauptet, über die Herkunft des Bildes nichts zu wissen. Zeitgleich gab es eine Wohnungsdurchsuchung bei ihm in Andernach, die aber keine weiteren Fundstücke erbrachte. Das Bild wurde konfisziert, diesmal von den Amerikanern. Wetzell musste keine Strafe zahlen, er verlor bloß das Bild, dessen Verkauf ihm einen wunderbaren Start in die noch nicht vorhandene Bundesrepublik beschert hätte.
    Und das war es dann auch schon.
    Zbigniew blätterte den Rest der zweiten Akte durch, konnte aber nichts anderes entdecken, das für ihn interessant war.
    Er blätterte zurück zur ersten Notiz über den Feininger.
    Irgendetwas war da.
    Er klappte die Akte wieder zu, legte sie auf die andere. Fein säuberlich, sodass die Ränder der einen Akte ganz genau auf den Rändern der anderen Akte lagen. Es hatte eine Bedeutung.
    Dann rief er in einem spontanen Entschluss Tonia an, erzählte ihr von seiner Entdeckung. Bereits am Vorabend, als sie ihn nach Hause gefahren hatte, hatte sie die Geschichte des Schlächters von Andernach erfahren. Auch wenn er sie vermutlich bloß gelallt hatte.
    Jetzt war er nüchtern.
    »Das klingt so, als müsste man dem nachgehen«, stimmte Tonia ihm zu.
    »Es wäre auf jeden Fall interessant zu wissen, wem das Bild vorher gehört hat«, sagte er. »Und wo das Bild geblieben ist.«
    »Gut. Ich recherchiere mal Provenienz und Verbleib.«
    Zbigniew nannte ihr den Titel des Bildes.
    »Und wie geht es sonst so?«
    »Geht so.«
    Immerhin hatte er es allein die Treppen in seine Wohnung hochgeschafft, in der Nacht zuvor, ohne hinzufallen. Peinlich war bloß gewesen, dass seine neue Nachbarin ihn gesehen hatte – sie hatte kurz zur Tür herausgeschaut, wegen des Gepolters, ihn angegrinst und ihm eine gute Nacht gewünscht.
    »Wollen

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