Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die tote Schwester - Kriminalroman

Die tote Schwester - Kriminalroman

Titel: Die tote Schwester - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Brueggenthies
Vom Netzwerk:
beiden unterhielten sich nun angeregt, doch war es nicht so, dass Tonia immer wieder zu Zbigniew hinüberschaute?
    Delia schien die beiden nicht bemerkt zu haben, starrte rauchend mit gesenktem Kopf auf ihre unglaublich hohen, rosafarbenen Keilsandaletten.
    Zbigniew sah zu Tonia, die gerade wegsah.
    Wie sie gekleidet war.
    Wie Delia gekleidet war.
    Die beiden Frauen waren grundverschieden, doch plötzlich begriff Zbigniew, warum Tonia Delia als Konkurrenz betrachten musste.
    Lena.
    Es war alles der Whiskey.
    Zbigniew nahm den Arm von Delia, legte ihn zurück.
    »Ich muss mal auf die Toilette«, sagte er.
    Delia nickte bloß.
    Er musste überhaupt nicht auf die Toilette, er wollte nur aus der Situation herauskommen. Dummerweise war er nun verpflichtet, an Tonia vorbeizugehen, um seine Ankündigung zu erfüllen. Er lächelte ihr linkisch zu.
    »Sollen wir so langsam mal fahren?«, fragte er sanft.
    »Von mir aus können wir noch etwas bleiben«, sagte sie ohne ein Lächeln. Es war wie eine Provokation.
    Zbigniew nickte, ging pro forma auf die Toilette.
    Er musste hier raus.
    Alles ging um Lena.
    Lena, Lena, Lena, nicht Tonia, nicht Delia, es war alles völlig falsch, jeglicher Gedanke war falsch, warum hatte er überhaupt solche Gedanken, es lag nur an Lena und ihren terroristischen Neigungen, er konnte sich auf nichts einlassen, auch nicht in seiner ansonsten so regen Fantasie.
    Gab es ein Fenster, aus dem er von hier verschwinden konnte?
    Sich nach Köln beamen konnte, schön allein in seine Wohnung, wo ihn niemand aufwühlte?
    Er sah in den Spiegel der Toilette und erschrak. Der Mann, der vor ihm stand, hatte starke Ränder unter den Augen, einen ungepflegten Fünftagebart und war so blass im Gesicht, wie es mit absoluter Gewissheit nicht mehr gesund sein konnte.
    Er hätte sich selbst in den Arm nehmen wollen, wenn er sich begegnet wäre.
    Er war nicht sexy, er war einfach nur mitleiderregend.
    Regungslos verharrte er vor dem Spiegel. Er würde nicht wieder aus der Toilette hinausgehen.
    Hinter ihm kamen Männer in den Raum, verließen ihn schließlich wieder.
    Plötzlich stand Tom hinter ihm, ging zu einem Waschbecken und spülte seine Hände unter dem Wasser ab.
    »Sie mag Sie«, sagte Tom, ohne ihn anzusehen.
    Zbigniew sah über den Spiegel zu ihm hinüber und fragte sich, ob er Delia oder Tonia meinte.
    »Sie ist eine außergewöhnliche Frau«, antwortete Zbigniew schließlich, in der Hoffnung, dass Tom die außergewöhnlichen Merkmale beschreiben würde, damit er mehr wusste.
    »Wen meinen Sie?«, fragte Tom seinerseits. Er trocknete sich ruhig die Hände ab.
    Zbigniew sah ihn irritiert an, fühlte sich überrumpelt.
    »Ihre Schwester«, sagte er schließlich.
    Tom grinste böse.
    »Ich sprach von Tonia Lindner«, sagte er und verließ ohne ein weiteres Wort die Toilette.
    Zbigniew gab sich einen Ruck, folgte ihm.
    Es kam ihm fast vor wie eine Revanche für seine missratene Pseudovernehmung.
    Sie quetschten sich durch den Lichthof voran, wo Zbigniew sich – wenn man schon mal hier war – einen weiteren Whiskey mitnahm. Diesmal mit Wasser.
    Auf der Freitreppe standen nun Tonia und Delia, in ein Gespräch vertieft. Tom und Zbigniew gesellten sich hinzu, blieben aber zwangsläufig in der Zuhörerrolle, da es um Modeströmungen in den USA und in Europa ging.
    Nein, es war kein Konkurrenzdenken zwischen Tonia und Delia. Diese beiden Frauen verstanden sich ausgezeichnet. Zbigniew hatte wieder zu viel in seine Beobachtungen hineininterpretiert.
    Was war eigentlich mit all den Fragen an Delia gewesen, die er stellen wollte?
    Hatte der Abend überhaupt irgendetwas gebracht?
    Delia hatte von irgendwoher eine ganze Flasche Rotwein besorgt und schenkte nun allen nach, allen außer ihm, der mit seinem goldfarbigen Tumbler wie ein Fremdkörper unter ihnen war.
    Zbigniew, bereits betrunken, trank weiter.
    Der Schlächter von Andernach.
    Er hatte ihm den Rest gegeben.
    Silvia Pütz ließ Zbigniew los, begleitete ihn in sein Büro.
    »Es hat sich nichts geändert«, sagte sie. »Ein neuer Kollege hat hier eine Zeit lang in deinem Büro gehockt, ist aber bei Zeynel reingegangen, als der dann weg ist. Wir hatten hier schon alles freigeräumt für deine Rückkehr.«
    Zbigniew betrat den Raum, der zur Westseite des Gebäudes lag, ohne Domblick. Hier hatte er viele Stunden verbracht. Ein Plakat der Editors, das Lena ihm geschenkt hatte, hing noch an der Wand. Einige Aktenordner schliefen in den Regalen. Ansonsten wirkte der Raum

Weitere Kostenlose Bücher