Die tote Schwester - Kriminalroman
haben uns etwas Besonderes ausgedacht«, lächelte Zbigniew.
» Du hast«, sagte Lena, ohne hochzuschauen.
Zbigniew sah sie irritiert an.
»Ich habe«, bestätigte er. »Ein Ort, der für ein Wiedersehen wie geschaffen ist.«
»Hoffentlich sterbe ich nicht heute Nacht.«
Jack lachte, klopfte ihm auf die Schultern.
»Du wirst noch älter als wir alle zusammen«, sagte er. Zbigniew schwieg, offenbar wusste Jack Rosenfeldt nicht von seiner Krebserkrankung.
Als sie sich abends müde ins Bett fallen ließen, hatten sie ein großes Programm hinter sich gebracht. Die Beinkes waren noch niemals in New York gewesen und Lena hatte es sich nicht nehmen lassen, sie mit einem unerbittlichen Programm durch die Stadt zu treiben. Zbigniew trottete eher hinterher, ließ Lena machen. Es beunruhigte ihn, Lena so zu sehen, sie waren fast wie Fremde. In Lenas Kopf schien irgendein Schalter umgelegt zu sein.
Sie lachte nicht mehr.
Sie betrachtete alles mit ihren klugen Augen, dachte logisch und rational, aber sie hatte nicht mehr dieses warmherzige, dieses offene Lachen. Früher hatte sie immer über alles Mögliche gelacht.
Sicherlich würde es für Lena noch eine psychologische Nachbetreuung geben, die Fachleute würden viel mit und an ihr arbeiten. Dennoch war es beängstigend.
Es gab einen Moment im Central Park, wo sie auf einer Bank saßen und ein Gaukler vorbeikam, auf Stelzen an sie heranturnte, ein paar Bälle über Lenas Kopf jonglierte. Vermutlich spürte er mit seinem professionellen Blick, dass sie traurig war. Andere Menschen blieben stehen, lachten darüber, was der Gaukler rund um Lena inszenierte.
Lena jedoch hatte den Gaukler die ganze Zeit bloß regungslos angestarrt, wie ein Untersuchungsobjekt, wie etwas, das sie nicht verstand.
Auch Horst und Susanne Beinke hatten die Außerordentlichkeit der Situation bemerkt. Sie nahmen unsicher mit Zbigniew Blickkontakt auf, er blickte zurück. Außer mit Blicken wusste niemand, wie man mit der Situation umgehen sollte.
Dann war Lena einfach weitergegangen, sagte, dass sie nun zur Bow Bridge müssten. Zbigniew erinnerte sich dunkel an den Namen, hätte aber nicht mehr gewusst, welche der vielen Brücken im Park es war. Und warum man sie nicht auslassen sollte.
Lena dagegen war zielsicher vorangegangen.
Der Gaukler hatte ihnen etwas pikiert nachgeschaut.
Am Nachmittag setzte sich Zbigniew von den Beinkes ab. Er fuhr in ein kleines Café in der 72. Straße und traf eine ältere Dame, mit der er noch einige letzte Details bereden wollte.
Sie würde bald noch eine äußerst schwere Entscheidung treffen müssen, aber Zbigniew war sich sicher, dass sie das Richtige tun würde.
Er hatte nie gezweifelt, ob er ihr vielleicht doch die Wahrheit hätte verschweigen sollen. Ob es für sie richtiger gewesen wäre, mit der Lebenslüge zu sterben.
Nein.
»Danke«, hatte sie gesagt. »Danke, dass Sie mir die Wahrheit über mein Leben erzählen. Ich konnte mir so lange viele Dinge nicht erklären, die nun plötzlich einen Sinn machen.«
Am Abend traf er sich wieder mit den Beinkes, in einem kleinen italienischen Restaurant nahe des Times Square.
»Wir werden morgen nicht mitkommen«, sagte Horst Beinke. Es war noch offen gewesen, ob sie das tun würden.
Zbigniew nickte, es war ihm eigentlich lieber.
Als er sich im Hotel neben Lena schlafen legte, fühlte es sich fremd an. Er wollte sie umarmen, sich anschmiegen, doch sie schob seinen Arm fort.
Zbigniew drehte sich zur anderen Seite, schaute an die Wand. Dort hing ein Foto, das überall auf der ganzen Welt zu hängen schien, eine schwarz-weiße Silhouette von New York mit der Brooklyn Bridge im Vordergrund. Einen Moment lang dachte er darüber nach, wie er mit Lena ein ernsthaftes Gespräch anfangen könnte. Über das, was vorgefallen war.
Über sie.
Doch dann hörte er bereits Lenas ruhigen Atem. Sie schlief.
Auch Zbigniew versuchte einzuschlafen, doch es gelang ihm nicht. Lena schnarchte inzwischen leicht.
Er hatte kein Buch mitgenommen. Er hatte noch nicht einmal ein Buch mit nach New York genommen.
Er stand auf, zog sich wieder etwas an. Dann fuhr er mit dem Fahrstuhl nach unten.
Die Hotelbar, durch viele kleine Lämpchen mit altmodischen Lampenschirmen in ein edles Goldgrün getränkt, war fast leer. An einem Hocker direkt am Tresen saß Horst Beinke.
Zbigniew hielt inne, als er Lenas Vater erkannte. Kurz dachte er darüber nach, ob er sich für seinen Absacker einen anderen Ort suchen sollte.
Dann entschied er
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