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Die tote Schwester - Kriminalroman

Die tote Schwester - Kriminalroman

Titel: Die tote Schwester - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Brueggenthies
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ihrer Seite gesessen. Sie hatte dagelegen wie ein Engel. Er hatte eine Strähne aus ihrem Gesicht gestrichen und hinter ihr Ohr gelegt. Eine Zeit lang betrachtete er sie, ihr so unschuldiges Gesicht. Er fragte sich, ob es für sie und ihn eine Zukunft geben würde. Nachdem die gemeinsame Reise ins Glück zu einem traumatischen Ereignis geworden war. Fünf Tage lang war er nicht in der Lage gewesen, sie zu finden. Er nicht, Zeynel nicht, eine riesige Sonderkommission nicht.
    Und jetzt war der Fall gelöst, und doch irgendwie nicht. Vor Lenas Befreiung hatte Zbigniew immer geglaubt, er müsste die Antwort auf das Rätsel Eva Weissberg finden, damit er Lena finden könnte. Jetzt hatte er Lena wieder, und das letzte Rätsel stand noch aus. In ihm wuchs das Gefühl, dass die Lösung eine Art Bedingung dafür war, dass Lenas Wunden heilen konnten.
    Eine notwendige, keine hinreichende Bedingung.
    Edwin hatte im Internet nicht herausgefunden, ob das Kinderheim noch existierte – er vermutete aber, dass dies nicht mehr der Fall war, denn es gab keine aktuelle Internetpräsenz des Heims. Lediglich ein paar Erfahrungsberichte von einigen früheren Insassen des damals wohl sehr großen Waisenhauses waren im Netz zu finden gewesen, und die Adresse, wo sich das »Kinderheim am Rigi« befand. Edwin hatte außerdem die Namen von zwei Erzieherinnen entdeckt, die von ehemaligen Heiminsassen auf deren Homepages erwähnt wurden: Frau Bonny und Frau Kar.
    Damit war Zbigniew losgereist.
    Er hatte keine Ahnung, wie lange seine Suche dauern würde.
    Es dämmerte, als Zbigniew die Straße in den Ort Weggis hineinfuhr. Seit Küssnacht, wo er hastig in ein preiswertes Hotel eingecheckt hatte, war das Ufer des Vierwaldstättersees immer wieder in Sicht gewesen. Die gesamte Strecke war bebaut, und es war deutlich sichtbar, dass hier niemand ohne Geld wohnte. Zur Linken erhob sich ein großes Bergmassiv, das die Häuser an den Seerand drückte.
    Zbigniew würde vor Ort auf hilfsbereite Schweizer hoffen müssen, damit er den Weg zum Kinderheim fand – er hatte kein Navigationsgerät in seinem Wagen. Ein wenig verfluchte er sich dafür; wie einfach war die Suche nach Straßen mit Tonias Hilfe. Hätte er nicht ohnehin Tonia mitnehmen sollen, nachdem sie ihm soviel geholfen hatte?
    Es war merkwürdig. Jetzt, wo Lena wieder da war, ihn mehrmals am Tag apathisch anschaute, war er nicht mehr in der Lage, Tonia anzurufen. Diese rief ihn auch nicht an; vermutlich hatte sie Verständnis dafür, dass er sich nach den Vorfällen neu ordnen musste.
    Es würde sich alles wieder normalisieren, wenn ein wenig Zeit vergangen war, dachte er. Wenn Lena wieder die alte Lena sein würde, die, die sie vorher gewesen war. Tief in seinem Innern wusste er allerdings, dass eine Wahrscheinlichkeit bestand, dass Lena nie wieder die alte werden würde. Eine Entführung überstanden nur wenige Menschen ohne psychische Spuren.
    Die Straße führte durch eine enge Innenstadt mit vielen Cafés und Ladenlokalen, zur rechten Seite öffnete sich der Blick auf den bezaubernd in der Abenddämmerung liegenden See. Und dann war Weggis bereits zu Ende.
    Zbigniew drehte um; er erinnerte sich, eine Tankstelle gesehen zu haben. Er fuhr zu ihr zurück. Viele Autos hielten hier, nicht um zu tanken, sondern um etwas einzukaufen – der kleine Tankstellenladen war überfüllt mit Menschen.
    Zbigniew stellte sich an die Kasse, wartete, bis er an der Reihe war. Hinter dem Tresen stand ein bärtiger Mann, der mechanisch die ihm hingelegten Waren einscannte und das Geld entgegennahm.
    »Entschuldigen Sie«, sagte Zbigniew, »ich suche den Fichtenweg. Gibt es dort noch das Kinderheim?«
    Der Bärtige grunzte etwas Unfreundliches, das Zbigniew nicht verstand. Dann aber holte er eine Karte von Weggis hervor und erklärte ihm knapp, wie er zu fahren hatte. Von einem Kinderheim wusste er nichts, betonte aber, eigentlich aus Zürich zu sein.
    »Danke«, sagte Zbigniew.
    Die Miene des Bärtigen hellte sich auf, als er begriff, dass Zbigniew die Karte kaufen würde.
    Er stieg wieder in seinen Wagen, betrachtete den Weg von der Tankstelle zu seinem Ziel auf der Karte. Dann fuhr er los.
    Er kam sich verflucht altmodisch vor.
    Es ging wieder zum Ende des Orts, dorthin, wo sich kleine Straßen den Berg hochschlängelten. Durch eine Wohnsiedlung hindurch, schließlich eine Sackgasse den Berg bis nach oben. Düstere Tannen. Und dann war er angekommen. Am Ende der Straße lag ein riesiges Gebäude. Zbigniew

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