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Die tote Schwester - Kriminalroman

Die tote Schwester - Kriminalroman

Titel: Die tote Schwester - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Brueggenthies
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zuckte.
    Lena, wie sie ihre Hände zu Fäusten ballte, all ihre Muskeln bis zum Äußersten angespannt, ohne Unterlass schreiend, in Panik, einfach nur schreiend, vor Schmerz, vor Horror.
    Jeanne, die den Zeh in eine kleine durchsichtige Plastiktüte hineinlegte.
    Der Schmerz.
    Jeanne betrachtete den kleinen Zeh, mit dem kleinen, schwarz lackierten Zehennagel von Lena, nun über und über mit Blut befleckt.
    Das Blut, es lief aus ihrem Fuß.
    Lena schrie weiter.
    Er schrie.
    Zbigniew schrie laut, er war wie von Sinnen.
    Schweißgebadet zuckte er im Bett und schrie, und es war so, als ob er von seinem eigenen Schrei aufwachte. Er hörte sich einige Sekunden lang weiter schreien.
    Dann erstarb der Schrei.
    Seine Ohren hörten den Nachhall des eigenen Schreis, dann umflutete ihn Stille.
    Ein paarmal sah er um sich herum, in das Zimmer hinein, in dem er lag. Es gab keinen Zweifel. Er war allein, von draußen schien die Sonne in sein Schlafzimmer, und er lag sicher in seinem Bett.
    Es war nur ein Albtraum gewesen.
    Die schlimmste Angst. Die schlimmste Angst, die Zbigniew hatte, die er den ganzen Abend zuvor verdrängt hatte. Was sie Lena angetan hatten.
    Haben könnten.
    Oder war es etwas ganz anderes, etwas, von dem man immer las – eine Vision, eine geistige Verbindung zwischen Lena und ihm, dass er in ihre Gedanken hineinlesen konnte?
    Nein, so etwas gab es nicht in Wirklichkeit. Zbigniew hatte bloß einen Albtraum gehabt, der sich zwar irgendwie aus der Realität zusammenbaute, der aber nicht die Realität war.
    Lena hatte Jeanne Duhamel niemals gesehen, sie hätte die Frau gar nicht erkennen können. Jeanne Duhamel war Zbigniews Albtraum, nicht Lenas. Der Traum hatte einen technischen Fehler.
    Der Traum war eine schlechte Fälschung seines eigenen Verstands.
    Zbigniew stand auf. Sein Schlafanzug war an den Schultern völlig nassgeschwitzt. Schnell ging er ins Bad, zog sich etwas Trockenes an.
    Die Uhr zeigte zehn, als Zbigniew ins Wohnzimmer kam. Auf dem Anrufbeantworter war kein neuer Anruf. Zbigniew hörte seine Mobilbox ab – Fehlanzeige.
    Keine Nachricht war immerhin auch keine schlechte Nachricht.
    Aus der Wohnküche schaute ihn der offen stehende Kühlschrank an. Zbigniew hatte ihn vor dem Urlaub abgetaut und ausgeräumt. Nun war er hungrig, doch es gab noch nicht einmal altes Knäckebrot im Haus.
    Er beschloss, in das Café um die Ecke zum Frühstücken zu gehen. Danach einzukaufen.
    Dennoch.
    Er musste …
    Sein Mobiltelefon hatte die Nummer von Zeynel bereits gewählt, fast wie von allein. »Guten Morgen, Zbigniew«, sagte dieser, ohne ihn groß zu Wort kommen zu lassen. »Du, wir sind grad in einer Besprechung. Gibt noch nichts Neues. Sorry, ich ruf dich nachher zurück.«
    Klick.
    Wenige Minuten später saß Zbigniew im ehemaligen Café Scharf an der Ecke zum Eigelsteinplatz, wo inzwischen eine Bistrokette Einzug gehalten hatte. Eine makellose Blondine vom Typ Sportstudentin stellte ihm einen Cappuccino, Brötchen, ein Croissant und Marmeladen hin.
    »Solche Tiefkühlcroissants esse ich nicht«, hätte Lena, ihm gegenübersitzend, gesagt.
    Sie saß ihm nicht gegenüber.
    Hungrig verschlang Zbigniew das Frühstück. Das Café füllte sich langsam, Zbigniew war einer der ersten Gäste gewesen.
    Da trat Tonia Lindner durch die Tür. Perfekt gekleidet, elegant wie eh und je. Seit der Trennung von ihrem Gatten schien sie zudem zehn Jahre jünger geworden zu sein.
    Sie erblickte ihn, kam schnurstracks auf ihn zu. Zbigniew erschrak fast ein wenig, als sich ihre Blicke kreuzten. Doch natürlich gab es keinen Ausweg. Eigentlich hätte Zbigniew es sich denken können; dies hier war ihr Stammcafé, schon immer gewesen. Sie wohnte direkt gegenüber.
    Hatte sie ihn nicht ohnehin auf Kaffee und Kuchen eingeladen?
    »Darf ich dazu?«, fragte sie mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht. Sie wartete kaum seine Antwort ab, ließ sich auf einem der Stühle nieder. Als ob sie erst darüber nachdenken musste, beugte sie sich ein paar Sekunden später nach vorne und gab Zbigniew Küsse auf die Wangen, rechts, links, rechts.
    »Geht es gut? Warst du nicht in New York?«, fragte sie.
    Zbigniew hatte keine Lust, ihr etwas vorzuspielen. Er erzählte sofort und ausführlich, was sich ereignet hatte. Tonias Augen wurden vor Entsetzen immer größer, doch Zbigniew musste nun alles einfach loswerden.
    Als er fertig war, schwiegen beide. Die unbeschwerte Kellnerin stellte Tonia einen Kaffee hin.
    »Es tut mir so leid für dich«,

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