Die tote Stadt: Frankenstein 5: Roman (German Edition)
nicht auf meine Leiche runterkucken und mit Sicherheit sehen kann, dass sie keinerlei Lebenszeichen mehr aufweist. Ich habe Leute gekannt, die mit Sicherheit tot waren – einer wurde in sechshundert Metern Höhe ohne Fallschirm aus der offenen Tür eines Hub schraubers gestoßen, ein anderer angeblich von drei Schüs sen in den Rücken getroffen und fiel in eine vereiste Gletscherspalte –, aber ein oder zwei Jahre später kam der eine eines Abends in einer dunklen Gasse mit einer Fleischeraxt auf mich zu, und der andere stößt mich auf einem betriebsamen Basar in Marokko mit dem Gesicht voran in einen riesigen alten Korb voller Kobras! Tot, meine Fresse. Du hast deine Mutter nicht tot gesehen, oder? Wenn du sie nicht tot gesehen hast, ist sie nicht tot, und wir ziehen los und finden sie. Also iss den Rest von diesem Käse auf, und bereite dich auf den Aufbruch vor. Hast du mich verstanden, Kurzer?«
Der matte, trübe Ausdruck in Travis Aherns Augen war einem lebhaften Strahlen gewichen.
»So ist es besser«, sagte Sully York.
25.
Carson hätte es vorgezogen, mit den apokalyptischen Reitern und ihren Frauen im Haus der Samples zu bleiben und sich von all diesen wohlmeinenden, gut bewaffneten, abgehärteten und cleveren Menschen den Rücken decken zu lassen. Ganz zu schweigen von dem ausgezeichneten Kaffee und den Kürbis-Pies im Ofen. Aber wenn man ihre Anzahl bedachte und den Prozentsatz von ihnen, der beim Militär gewesen war und daher etwas über Strategien und Taktiken wusste, und dass sie außerdem mit ihren Handys Videos von den Gräueln im Rasthaus aufgenommen hat ten, dann brauchten sie Carson und Michael nicht, um ihre Nachbarn zu rekrutieren und ihr Areal in einen Truppenstützpunkt zu verwandeln.
Die dringlichste Aufgabe war jetzt, Deucalion ausfindig zu machen. Mit seinen einzigartigen Gaben würde nur er in der Lage sein, die Kinder aus Rainbow Falls herauszufahren, dabei die Straßensperren zu umgehen und die Jüngsten in die relative Sicherheit von Erikas Haus vier Meilen westlich der Stadt zu bringen. Ohne jede Form von Telefonverbindung würden sie ihn irgendwie aufspüren müssen, was in einer Stadt mit nahezu fünfzehntausend Einwohnern ein fast unmögliches Unterfangen zu sein schien.
Als Carson den Grand Cherokee durch ein Meer von Schnee, dessen Fluten gegen die Windschutzscheibe schlugen und um die Räder schäumten, ins Zentrum von Rainbow Falls steuerte, sagte Michael: »Ich habe eine Idee.«
»Du hast immer eine Idee. Du hast immer Dutzende von Ideen. Deshalb habe ich dich geheiratet. Nur um zu sehen, auf welche Ideen du heute kommen wirst.«
»Ich dachte, du hättest mich wegen meines Aussehens, meiner Sensibilität und meiner fabelhaften Ausdauer im Schlafzimmer geheiratet.«
Carson sagte: »Es ist dein Glück, dass Schönheit im Auge des Betrachters liegt. Aber ich gebe gern zu, dass du dich wirklich ins Zeug legst, wenn du das Schlafzimmer putzt.«
»Das bringt mich auf eine ganz andere Idee. Warum muss ich überhaupt Putzarbeiten erledigen? Wir haben eine Haushälterin, die ganztags bei uns beschäftigt ist. War um tut sie das nicht?«
»Mary Margaret ist eine großartige Köchin und ein wun derbares Kindermädchen. Sie übernimmt nur leichte Haus arbeiten. Um ein Haus fleckenlos rein zu halten, braucht es jemanden mit Muskeln, Entschlossenheit und Seelenstärke.«
»Das klingt ganz nach dir.«
Carson sagte: »Willst du, dass ich putze und du von jetzt an das ganze Zeug tust, das ich tue – die Klempner- und Elektrikerarbeiten, die Feineinstellung der Wagen, die Buch haltung und die Steuern?«
»Nein. Ich würde bei dem Versuch, ein Ventil in der Toilette auszutauschen, durch einen Stromschlag sterben, kurz bevor das Finanzamt das Haus pfändet. Aber zurück zu meiner Idee. Wir wissen, dass Deucalion vorhat, die Mannschaften möglichst vieler dieser blau-weißen Lieferwagen auszuschalten. Das heißt, wenn wir einen Lieferwagen ausfindig machen können, der noch in Betrieb ist, und ihm folgen, finden wir vielleicht Deucalion, wenn er den Lieferwagen findet.«
»Das ist eine ziemlich lahme Idee.«
»Tja, ich höre aber auch keine berauschenden Vorschläge von unserem Klempner-Elektriker-Mechaniker-Buchhalter.«
Sie fuhren ein paar Minuten schweigend weiter.
Dann sagte sie: »Ich habe bei dieser Sache ein ganz schlechtes Gefühl, Tonto.«
»So, wie ich das sehe, Kemo Sabe, können wir gar nicht scheitern. Als Deucalion seine Gaben per Blitz erhalten hat, müssen sie
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