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Die Tote vom Johannisberg

Die Tote vom Johannisberg

Titel: Die Tote vom Johannisberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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neutral, kein auffälliger Name. Ich bin sicher, auch ihre Eltern haben nichts davon gewußt.«
    »Na ja. Nicht jeder, der Kitsch produziert, will, daß es alle erfahren. Da ist nichts Besonderes dabei. Und den Sturz von der Decke erklärt das auch nicht. Hast du überhaupt schon den Tatort besichtigt?«
    Ich verzog den Mund. »Nicht so einfach. Das muß ich sorgfältig vorbereiten. Da hat es sicher eine Menge Journalisten gegeben, die versucht haben, sich in die Stadthalle zu schmuggeln. Ich warte noch, bis ich mir einen Dreh überlegt habe, unerkannt reinzukommen und mir mal diesen Dachboden anzusehen. Übrigens - ich brauche einen Computer. Kannst du mir dein Laptop leihen?«
    »Kein Problem. Aber laß uns einen kleinen Spaziergang machen. Ich brauche nach all der Sumpferei heute etwas Bewegung.«
    Ich dachte erst an die Bewegung, die ich auf dem Weg hier hoch genossen hatte, dann an die gymnastischen, sehr bewegenden Übungen, die Jutta mit Tom absolviert haben dürfte, und stimmte trotzdem zu.
    »Ich zieh mir nur was über. Bin gleich wieder da.«
    Kurz darauf verbissen sich Juttas rote Haare und das Orange eines Jogginganzuges schmerzhaft ineinander. »Wir können«, sagte sie.
    *
    Die Spaziergänge durch das Waldstück auf der Briller Höhe, das auch Nützenberg heißt, erinnerten mich immer an meine Jugend. Ich bin in Barmen aufgewachsen, aber hier wurden immer die obligatorischen Sonntagsspaziergänge absolviert. Eigentlich ein unglaublicher Vorgang, denn ein echter Barmer verbringt nie seine Freizeit in Elberfeld. Aber mein Vater setzte sich gewissermaßen für die Völkerverständigung in Wuppertal ein.
    Es dämmerte bereits, als wir zum Weyerbuschturm schlenderten. Dunkle Quader formen ein schlankes Gebilde, das wie der Rest eines Schlosses aussieht. Oben gibt es eine Brüstung. Man hatte mir als Kind erzählt, das sei der Turm, von dem aus Rapunzel ihr goldenes Haar herabgelassen habe.
    Als wir den Platz vor dem Turm erreichten, war kein Mensch in der Nähe. Ich sah den verlassenen Spielplatz, den es in meiner Kindheit noch nicht gegeben hatte. Wippen in verschiedener Form - kleine Elefanten und sogar ein Motorrad. Eine Rutsche, die wie blankes Silber glänzte. Offensichtlich wurden die Spielgeräte eifrig benutzt.
    Wir setzten uns auf eine Bank. Der Lärm der Stadt zog sich hier zu einer fernen Wolke zusammen. Irgendwo im Wald erklang Hundegebell. Ab und zu krachte etwas leise durch die Zweige und knallte auf den Boden: Eicheln fielen herab.
    Ich genoß es, mit Jutta zusammenzusein. Wir bildeten schon eine komische Minifamilie. Mit fünfzehn Jahren war ich Vollwaise geworden, als meine Eltern bei einem Verkehrsunfall umkamen. Jutta, eine Cousine meines Vaters und meine einzige Verwandte, hatte sich um mich gekümmert, bis ich volljährig wurde. Sie war damals Sekretärin in der Stadtverwaltung gewesen und hatte später ihren Chef, den Leiter des Bauamts, geheiratet - einen Mann von zweiundsechzig Jahren, der ein knappes Jahr nach der Hochzeit starb. Jutta war noch keine dreißig und mit einem Schlag eine reiche Witwe: Eigentumswohnung, dicke Pension, gut angelegtes Geld. Keine Notwendigkeit zum Arbeiten.
    Ich hatte von meinen Eltern eine Lebensversicherung geerbt. Ich erhielt das Geld, als ich Abitur gemacht hatte. Ich versuchte eine Aufnahmeprüfung an der Polizeischule - ohne Erfolg. Dann ging ich nach Köln und gab mich viele Semester sinnlosen Studien hin - ein bißchen Betriebswirtsschaft, ein bißchen Jura. Dann war das Geld weg, und ich hatte keinen Abschluß. Es war Jutta, die mich nach Wuppertal zurücklockte. Die ersten Aufträge schanzte sie mir mit ihren Kontakten aus dem weiten Bekanntenkreis ihres Mannes zu. Ihr Name stand immer noch auf der Einladungsliste allerlei bedeutender Empfänge.
    »Wußtest du eigentlich, daß ich die Mallbergs flüchtig kenne?« sagte Jutta. »Der Mann hat mal irgendwas bei Bayer gemacht, arbeitet aber so viel ich weiß nicht mehr. Ihm gehören, glaube ich, ein paar Immobilien in Elberfeld.«
    »Reiches Elternhaus, das war mir sofort klar. Aber die Tochter hatte weit mehr Geschmack als ihre Eltern.«
    »Um es milde auszudrücken. Die Mallbergs legen überhaupt keinen Wert auf Kultur. Sie halten Musik für Teufelszeug. Außer natürlich, wenn es Kirchenlieder sind. Es ist ein Wunder, daß das Mädchen überhaupt so weit gekommen ist. Die Krönung ist: Obwohl der Vater ihr die Hölle heiß gemacht hat, obwohl er seine Tochter zu Hause eingeschlossen hat wie ein

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