Die Tote vom Johannisberg
sie mich vermissen. Gegen halb zwölf trat ich, ziemlich abgefüllt von den Geheimnissen aus Juttas Bar, den Heimweg an. In der rechten Hand die Tasche mit dem Laptop.
Als ich zu Hause im Schlafzimmer Licht machte, war mein Bett schon von einem gewissen dunkelgetigerten Wesen besetzt, das friedlich schlief.
Davor lag ein kleines graues Klümpchen.
Eine tote Maus.
7. Kapitel
»Dann wollen wir mal«, sagte Manni und klappte den kleinen Computer auf. »O Mann, noch nicht mal’n Pentium. Steinzeit. Was willst du denn damit?«
Manni war ein alter Kumpel von mir und sozusagen mein Berater in Sachen Elektronik. Ich besaß keinen Computer. Es war in meinen Ermittlungen auch noch nie dazu gekommen, daß ich mich in Datennetze einschleusen mußte. Rechnungen oder so was gab es natürlich zu schreiben, aber dafür nahm ich meine alte Schreibmaschine.
So hatte Manni bei mir bisher wenig zu tun gehabt. Zum Glück arbeitete er in einer kleinen Computerfirma, sonst wäre er vor die Hunde gegangen. Und nun bat ich ihn ein einziges Mal, eine Diskette zu lesen - und schon fing er an zu meckern. Dabei war ich es, der unter der Aktion zu leiden hatte. Manni konnte solche Privataufträge nur frühmorgens erledigen. Es war gerade mal kurz nach acht - für meine Verhältnisse verdammt früh.
»Du sollst das Gerät nicht kaufen«, sagte ich. »Ich möchte ganz einfach nur wissen, was auf dieser Diskette ist.« Drohend hielt ich das schwarze Scheibchen hoch.
»Ausdrucken kann ich aber nix«, maulte Manni weiter.
»Wieso nicht?«
»Weil du keinen Drucker hast, du Nase! Oder siehst du hier irgendwo einen?«
»Äh, ach so, ja stimmt. Und jetzt?«
Manni seufzte und sprach den nächsten Satz so langsam, als käme ich vom Mond und hätte erst seit fünf Minuten Deutschunterricht. »Dann mußt du dir eben auf dem Monitor ansehen, was auf der Diskette ist.«
Damit drückte er die Power-Taste, irgendwelche Zahlen sausten über das Display, es knirschte in der Maschine, und dann erklärte eine bunte Schrift, daß sich das Gerät im Moment damit beschäftigte, Windows zu laden.
»Mikroweich Fensters. Uralte Version. Drei Punkt eins. Da gehen wir besser erst mal auf die DOS-Ebene, um die Diskette zu prüfen. Ist das denn eine DOS-Diskette, oder ist die von einem Mac? Oder am Ende Atari?« »Hä?«
»Was weißt du eigentlich? Schon gut.«
Der Bildschirm wurde dunkel, und Manni begann, irgendwelche Sachen zu tippen. Die Diskette lag immer noch auf dem Tisch. Ich wollte ihn gerade daran erinnern. In diesem Moment nahm er sie und schob sie in das Laufwerk.
»Dann wollen wir mal«, erklärte er erneut.
Das Bürofenster, das ich nur angelehnt hatte, ging auf, und die Katze kam von ihrem morgendlichen Rundgang zurück. Manni drehte sich um. »Iiih«, schrie er. »Ich hab ‘ne Katzenhaarallergie!«
»Ein Grund mehr, dich zu beeilen«, sagte ich kühl.
»Mann-o-Mann, wenn ich das gewußt hätte«, rief er verzweifelt. »Aber du hast Glück. Es ist ‘ne DOS-Diskette.«
Mir war nicht klar, worin mein Glück bestand, aber ich sagte nichts.
Auf dem Bildschirm wurde eine Art Liste sichtbar.
»Das sind die Dokumente, die auf der Diskette sind«, sagte Manni. »Es sind Textdateien. Die Namen bestehen nur aus Nummern.«
»Und wie kann man die Texte lesen?«
»Man muß sie öffnen. Wie ein Buch.«
Manni guckte mich schlau an und drückte eine Taste. Der Text erschien. Ich las den Anfang.
»Was ist denn das?« fragte Manni verwundert.
»Etwas, was du nicht kennst«, antwortete ich. »Literatur. Romantische Geschichten. Zeig mir mal die nächste.«
Wir gingen die ganze Liste durch. Sie war nicht besonders lang. Alle Dokumente enthielten Liebesromanmanuskripte oder zumindest Teile davon.
»War wohl nicht das, was du erwartet hast, oder?« wollte Manni wissen.
»Doch, schon. Aber ich brauche einen weiteren Ansatzpunkt.«
»Was meinst du damit?«
»Leider hat die Dame, von der die Diskette stammt, nur ihre Manuskripte auf dem Computer geschrieben. Sie hat der Maschine nichts Privates anvertraut - obwohl sie eine prima Möglichkeit gehabt hätte, auf diese Weise etwas vor ihren Eltern geheimzuhalten.«
»Oder die Sachen sind auf der Festplatte.«
»Du meinst im Computer selbst? An den komme ich nicht ran.«
Ich überlegte. Manni saß wartend vor dem Laptop und stierte stumm vor sich hin. Wahrscheinlich hatte er der Festplatte in seinem Kopf den Strom entzogen. Die Katze war ins Schlafzimmer getigert.
»Sag mal, Manni, ich hab da neulich
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