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Die Tote vom Johannisberg

Die Tote vom Johannisberg

Titel: Die Tote vom Johannisberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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die Möglichkeit wählte, mit der sie sich schon einmal beinahe das Leben genommen hatte. Welche Erklärung aber gab es, wenn man die Selbstmordtheorie beiseite ließ? Was macht man auf einem Dachboden? Man versteckt sich. Vor wem? Vor jemandem, vor dem man nicht woandershin flüchten kann. Das Foyer ist voller Menschen, man will nicht gesehen werden.
    Oder man versteckt sich nicht, sondern trifft sich absichtlich mit jemandem. Mit wem? Mit jemandem, der den Schlüssel hat. Warum? Zu einem Schäferstündchen. Einem Schäferstündchen, das in einen tragischen Unfall mündet: In der Hitze des Gefechts stürzt einer der Partner in die Tiefe. Eigenartige Vorstellung - aber warum nicht? Da stellte sich die Frage: Wer war der andere?
    Ich ging im Geist Personen durch und bemerkte, daß ich mir schleunigst jemanden vornehmen müßte: Arthur Satorius, den Professor und Dirigenten.
    *
    Zu Hause öffnete ich vorsichtig die Wohnungstür und war erleichtert, als mich meine Mitbewohnerin lautstark begrüßte. Sie schnurrte und strich mir an den Beinen entlang. Offensichtlich war ihr klar, daß wir einen großen Sieg über Alfred Krause errungen hatten. Daß er sich jetzt mit seiner Frau herumschlagen mußte, war mir ziemlich egal.
    Die Welt war nun für mich fast wieder in Ordnung, und ich wählte Juttas Nummer.
    »Hallo.«
    Es war eine tiefe Männerstimme, die das »Hallo« nicht fragend, sondern mehr wie eine Feststellung in den Hörer geschickt hatte.
    »Hallo - hier ist Remi. Ist Jutta da?«
    Ich konnte nicht richtig hören, was sich auf der anderen Seite abspielte. Einen Moment hatte ich das Gefühl, der andere hätte aufgelegt, aber da kein Amtszeichen kam, gab ich die Hoffnung nicht auf. »Hallo? Hallo? Verdammt noch mal, ist da jemand?«
    Jemand kicherte, dann hörte ich Juttas Stimme. »Hör auf, Tom, du weißt doch, daß ich kitzlig bin. Laß das. Wer ist da am Telefon, hast du gesagt? Hihihi.«
    »Hallo Jutta?«
    »Remi, Hallöchen. Tom, laß das … nein!«
    Ein kurzes Kreischen, dann Gekicher, weit weg. Offenbar hatte sie den Hörer fallengelassen.
    »Jutta, hörst du mich? Jutta, jetzt hör mir doch mal zu.«
    »Hihihi, nicht kitzeln.«
    Wieder ein Kreischen, dann ein Getrampel, als würde eine ganze Herde Büffel durch Juttas Wohnung getrieben.
    »Bist du noch da?«
    »Da bin ich wieder, Remi«, sagte Jutta plötzlich seelenruhig. »Warte mal, ich mach die Tür zu.«
    Ein Knall, dann Gehämmer.
    »Ja, ja, Tom, ich komm ja gleich wieder. Jetzt laß mich mal telefonieren.«
    »Entschuldige, Jutta, daß ich dich bei deiner Orgie störe, aber ich brauche ein paar Infos. Du kennst doch Gott und die Welt.«
    »Vor allem zweiteres. Schieß los.«
    Immer noch das Gehämmere im Hintergrund. Wahrscheinlich würde Tom vor lauter Trieb gleich die Tür eintreten.
    »Was kannst du mir über diesen Arthur Satorius erzählen?«
    »Was hast du gesagt? Ich versteh dich so schlecht.«
    »Ich möchte an Satorius rankommen. Und ich hatte gedacht, ich könnte ihm gegenüber als Journalist auf treten. Aber dafür brauche ich ein paar Informationen.«
    »Puh. Warum fragst du nicht einfach in der Stadthalle nach? Die müßten das am besten wissen. Du solltest dir wahrscheinlich sowieso ein Bild vom Unglücksort machen.«
    »Vergiß es«, seufzte ich.
    »Ich muß jetzt auch auflegen«, rief Jutta schnell. »Tschüs!«
    Es knackte. Dann ertönte das Besetztzeichen.
    Ich fand im Telefonbuch Satorius’ Nummer.
    Nach einigen Ruftönen klickte es, dann kam ein kurzes dumpfes Rauschen, und die Stimme von einem Anrufbeantworter begann: »Sie haben die Nummer von Professor Satorius gewählt. Ich bin leider nicht zu erreichen …« Plötzlich klickte es wieder, und jemand meldete sich.
    »Ja bitte?«
    »Hallo, spreche ich mit Herrn Professor Satorius?«
    »Am Apparat.«
    »Entschuldigen Sie bitte die Störung. Mein Name ist Rott. Ich bin Musikjournalist und arbeite gerade an einem Artikel über das Wuppertaler Musikleben. Ich wäre sehr an einem Interview über Sie und Ihr Orchester interessiert.«
    Als der Mann sich meldete, hatte es geklungen, als sei er gerade aufgestanden. Vielleicht aus dem Mittagsschlaf. Doch jetzt wirkte er hellwach. »Ein Interview? Musikjournalist, sagen Sie? Gern, gern. Lassen Sie mich überlegen … Wann haben Sie Zeit?«
    »Ich komme aus dem süddeutschen Raum«, log ich. »Und ich bin gerade bei Freunden in Wuppertal untergekommen. Ich habe auch vor, das Sinfonieorchester und die Stadthalle zu besuchen.«
    »Ach wissen

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