Die Tote vom Johannisberg
ja jemand aus dem Publikum?«
Wintershausen rutschte wieder nach vorne und stützte sich mit den Ellbogen auf die schwankenden Papierberge. »Da haben Sie ja viel vor sich«, sagte er. »Wollen Sie vielleicht alle eintausendfünfhundert Besucher dieses Konzerts überprüfen?«
»Eintausendreihundertzweiundfünfzig«, korrigierte ich grinsend. »Und genau genommen einer weniger. Einen kann ich weglassen.«
»Wen? Mich? Ich war auch in dem Konzert.« Der Geschäftsführer setzte eine geheimnisvolle Miene auf und beugte sich vor. »Vielleicht habe ich mich mit dem Opfer getroffen? Und es sogar hinuntergestoßen!« Ihm machte das Detektivspiel sichtlich Spaß.
»Oh«, wandte ich ein. »Daran habe ich gar nicht gedacht. Ich meinte eigentlich nicht Sie, sondern mich. Ich war nämlich auch an dem denkwürdigen Abend zugegen.«
»Was für ein Zufall.«
»Überhaupt kein Zufall«, sagte ich und erzählte, wie Regina Mallberg mich am Tag vor ihrem Tod besucht hatte.
»Können Sie das beweisen?« wollte Wintershausen wissen.
»Moment, Euer Ehren«, sagte ich. »Sie werden doch wohl auf das Wort eines stadtbekannten Detektivs vertrauen?«
»Ich merke schon, jetzt wird es ernst. Zeigen Sie mir mal Ihre Lizenz.«
Darauf hatte ich gewartet. Ich zog sie hervor und zeigte sie ihm. Dabei klappte meine Jacke zurück, und das Revolverfutteral wurde sichtbar.
»Bewaffnet sind Sie auch noch. Haben Sie eigentlich einen Waffenschein?«
»Aber ja. Wollen Sie den etwa auch sehen?«
Wintershausen sah mich eine Weile an. »Nein. Spaß beiseite«, sagte er. »Wenn Sie so viel Energie für den Fall aufbringen, scheint da doch eine große Sache dahinterzustecken.«
»Machen wir uns an die Arbeit«, sagte ich. »Ich muß all Ihre Mitarbeiter überprüfen.«
Wintershausen zog eine Taschenuhr hervor. »Meinen Sie, wir schaffen in einer Stunde, was die Polizei in fast einer Woche nicht hinbekommen hat?«
Ich winkte ab. »Es muß eine Lücke geben. Etwas, worauf die Polizei nicht gekommen ist. Irgend etwas. Aber fangen wir mal ganz konservativ an. Haben Sie die Liste Ihrer Mitarbeiter noch?«
»Klar. Einen Moment.« Er machte sich daran, den Papierberg abzutragen. »Ich arbeite nach der Schichtentheorie«, erklärte er. »Jeden Tag kommt eine neue Schicht auf meinem Schreibtisch hinzu. Und wenn man in die Tiefe gräbt, dann ist das so ähnlich wie bei geologischen Bohrungen. Man erhält so eine Art Kalender. Wie viele Tage ist das mit der Polizei her?« Er überlegte. »Das müßten so an die acht Zentimeter sein.« In der Mitte des Papierhaufens entstand ein Krater, dann zog er eine DIN-A-4-Blatt hervor. Eng bedruckt. Ich erkannte Namen.
»Das sind sie. Bitte schön. Und was jetzt?«
»Jetzt werde ich diese Namen mit den Erkenntnissen zusammenbringen, die ich bereits gewonnen habe.«
»Dann mal los.«
»Ich müßte mal in Ruhe telefonieren.«
»Nichts einfacher als das.« Er stand auf und führte mich in ein Nachbarbüro. Dort standen zwei verwaiste Schreibtische. »Suchen Sie sich einen aus. Ich bin solange nebenan.«
»Danke«, sagte ich, setzte mich und wählte die Nummer von Birgit Jungholz.
Es klingelte ziemlich lange.
»Hallo!« Eine Mädchenstimme kam aus dem Hörer.
»Ja, hier Rott. Bin ich verbunden mit Jungholz?«
»Ja, hier ist Yvonne.« Im Hintergrund hörte man den kleinen Daniel schreien.
»Könnte ich mal deine Mutter sprechen, Yvonne? Es ist wichtig.«
»Sie ist noch auf der Arbeit. Soll ich Ihnen die Nummer geben?«
»Das wäre gut.«
Kurz darauf wählte ich wieder.
»Sparmarkt Barmen, Rodendahl.« Eine Männerstimme.
»Guten Tag, hier ist Rott. Ich hätte gern Frau Jungholz gesprochen.«
»Das tut mir leid. Frau Jungholz kann jetzt nicht. Sie ist gerade an der Kasse eingesetzt, und wir haben Hochbetrieb.«
»Das tut mir ebenfalls leid, Herr Rodendahl. Aber es handelt sich um eine sehr wichtige private Angelegenheit. Würden Sie bitte trotzdem Frau Jungholz holen?«
Schließlich kam sie an den Hörer.
»Hallo, Frau Jungholz«, sagte ich. »Ich muß Sie um einen Gefallen bitten.«
»Ja, ja. Aber machen Sie schnell. Ich kriege hier sonst Ärger. Worum geht’s?«
»Ich lese Ihnen Namen vor, und Sie sagen mir einfach, ob Ihnen diese Namen bekannt Vorkommen. Ich meine natürlich im Zusammenhang mit Regina.«
Birgit Jungholz seufzte. »Also schön. Legen Sie los.«
Ich las den ersten Namen vor.
»Nein«, kam es vom anderen Ende der Leitung.
Ich las den zweiten Namen vor.
»Nein«, hieß es
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