Die Tote vom Johannisberg
wieder.
»Ich glaube, es ist besser, Sie sagen einfach stop, wenn Sie einen Namen kennen. Das geht schneller.«
»Gut.«
Ich las langsam und deutlich die ganze Liste vor. Ohne Reaktion.
»Das war’s«, sagte ich. »Keine Idee?«
»Nein, tut mir leid.«
»Na ja. Danke für Ihre Hilfe.«
Ich hängte ein und ging in Wintershausens Büro zurück.
»Haben Sie auch wirklich keinen vergessen?« fragte ich.
»Ausgeschlossen. Die Liste haben wir gar nicht selbst ausgedruckt. Die Polizei ist in die Personalabteilung gegangen und hat das alles in die Hand genommen.«
Ich nahm wieder vor seinem Schreibtisch Platz. Auf einer Ecke lag das rote Buch, das Verzeichnis der Veranstaltungen. Ich nahm es in die Hand und blätterte ein bißchen darin herum.
»Was ist mit Zulieferern?«
»Was meinen Sie?«
Ich deutete auf die Fotos in der Jahresvorschau. »Diese Bilder hier zum Beispiel. Die werden doch nicht von festangestellten Leuten gemacht.«
»Nein. Wir arbeiten mit einer Werbeagentur zusammen. Die stellt auch das Buch her. Genauso wie unsere Plakate und die anderen Werbemittel.«
»Und der Fotograf, der die Bilder macht, der muß sich auch hier im Haus bewegen.«
»Natürlich. Und er ist nicht der einzige. Denken Sie mal an die Gastronomie unten im Keller. Das Restaurant Rossini. Da gibt’s auch Köche, Kellner und so weiter.«
»Genau das meine ich. Allein von den Lieferanten kommen jeden Tag fremde Leute ins Haus.«
»Auch die Mitarbeiter der Firmen, die bei uns Kongresse und Tagungen vorbereiten. Da gibt es Zulieferer, die Stellwände installieren und so weiter. Wenn Sie die alle überprüfen wollen, haben Sie viel zu tun.«
»Aber diese Jahresvorschau hier«, sagte ich. »Derjenige, der die schreibt. Der muß sich doch ziemlich gut in Ihrem Betrieb auskennen.« Ich deutete auf die Werbetexte zu den einzelnen Veranstaltungen. »Werden diese Sachen auch von der Werbeagentur geschrieben?«
Wintershausen schüttelte den Kopf. »Wir haben freie Mitarbeiter. Meist junge Leute, die Musikwissenschaft studieren und sich mit den Inhalten der Konzerte auskennen. Es ist übrigens gar nicht so einfach, Schreiber zu finden, die das können. Meistens muß ich selbst einspringen. Vor einiger Zeit hatten wir mal einen, mit dem hatten wir nur Ärger.«
»Ach ja?«
Er grinste. »Der war völlig abgedreht, um es mal etwas salopp auszudrücken. Er sollte Texte schreiben. Genau für die Ausgabe, die Sie gerade in der Hand halten. Und er fing an, in den Werbetexten wissenschaftliche Aufsätze zu zitieren und Fußnoten einzubauen. Ein verschrobener Wissenschaftler eben. Für Marketingtexte überhaupt nicht zu gebrauchen. Er hat genau einen einzigen Beitrag verfaßt, dann haben wir ihn dieser Aufgabe enthoben. Dabei ging es diesem Menschen finanziell ziemlich schlecht. Er brauchte unbedingt einen Job und hat sich auch ein paarmal bei uns beworben. Aber so jemanden einzustellen -daran ist überhaupt nicht zu denken.«
»Wie hieß er?«
»Äh, warten Sie mal. Wolf, glaube ich. Genau: Frank Wolf.« Dann guckte er ernst. »Moment… glauben Sie etwa, der hätte etwas mit der Geschichte zu tun?«
»Kommt auf einen Versuch an«, sagte ich und ging in den Nachbarraum.
Birgit Jungholz war immer noch an der Kasse. Herr Rodendahl ließ sich zum Glück ein zweites Mal erweichen, seine Mitarbeiterin an den Apparat zu holen.
Eine Minute später betrat ich wieder Wintershausens Büro. »Bingo!«
Der Geschäftsführer schaute fragend auf.
»Frank Wolf war Regina Mallbergs Studienkollege. Ihre Freundin hat sich an ihn erinnert.«
17. Kapitel
Als ich die Stadthalle verließ, lag ein leichtes Nieseln in der Luft. Wuppertal machte seinem schlechten Ruf als Regenstadt alle Ehre. Ungebrochen rauschte die Autolawine die Bahnhofstraße entlang. Den ganzen Tag war es nicht richtig hell geworden. Jetzt begann es bereits wieder zu dämmern. Der Feierabendverkehr begann. Die meisten Wagen fuhren schon mit eingeschalteten Scheinwerfern, in deren Strahlen die winzigen Regentröpfchen wie Staub aussahen.
Ich fröstelte in meiner dünnen Jacke. Der Italiener und das Balkanrestaurant neben der »Schwimmoper« waren hell erleuchtet. Ich konnte auf meinem Weg zum Auto durch die Fenster in das gemütliche Innere schauen. Ich fragte mich, wie sich die Südländer, die in Deutschland arbeiteten, fühlen mochten. Wahrscheinlich wie unsereins in Sibirien.
Wintershausen hatte mir nur eine Adresse von diesem Wolf geben können. Telefon besaß er anscheinend
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