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Die Tote vom Johannisberg

Die Tote vom Johannisberg

Titel: Die Tote vom Johannisberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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mußten wir ein paar Treppen erklimmen und gelangten auf ein kleines Stück Brachland. Es war alles mit Straßenlampen ausgeleuchtet - ein schwacher Trost für etwaige weibliche Zugreisende, die nachts auf diesem Weg zur Bahn wollten. Ein Paradies für potentielle Vergewaltiger.
    Uns begegnete keine Menschenseele. Der schmale Pfad endete auf einem Parkplatz, der sich direkt hinter dem eigentlichen Bahnhof befand. Man konnte die in Neon getauchten Bahnsteige mit den Anzeigetafeln und den weiß beleuchteten Uhren sehen. Es war kurz nach zehn.
    Wolf ging zielstrebig eine schmale Treppe hinunter, die auf die Bahnsteige, aber auch in den vorderen Bereich des Bahnhofs führte. Wollte er etwa noch einen Zug nehmen? Doch sein Ziel war die Eingangshalle. Kaum hatte er das hohe Gebäude erreicht, zog er eine Flasche hervor und nahm einen Schluck. Dann sah er sich genau an, ob noch etwas darin war, und warf sie kurzerhand auf den Steinboden. Sie zersplitterte, und das scheppernde Geräusch brach sich an den gekachelten Wänden. Es klang wie in einem Hallenbad.
    Auch hier war sonst niemand zu sehen. Es gab ein paar kleine Geschäfte, die um diese Zeit natürlich geschlossen waren: In einem der beiden wurden Secondhand-Klamotten verkauft, in dem anderen antiquarische Bücher.
    Wolf strich die Wände entlang und rüttelte an der dunklen Tür unter einem Gaststättenschild. Geschlossen. Er stieß einen Fluch aus und ging torkelnd zurück in den Tunnel, der wieder zu dem Parkplatz führte. Es war nicht schwer, ihn zu verfolgen. Er mußte mittlerweile so betrunken sein, daß er kaum etwas um sich herum wahrnahm.
    Ich ließ ihm trotzdem einen Vorsprung, bis er das Ende des Tunnels erreicht hatte, hastete dann an Graffitis vorbei und erreichte ebenfalls den Parkplatz.
    Ich sah Wolf unter einer Straßenlaterne im Regen stehen und drückte mich an ein paar Büschen entlang. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich mit der Aussicht auf nassen Asphalt von meinem knurrenden Magen abzulenken.
    Wieder zog Wolf eine Flasche heraus. Sie war so groß wie ein Flachmann und glitzerte bernsteinfarben. Ich sah zur Uhr. Wolf brauchte zwanzig Minuten, um sie nach und nach zu leeren. Dann warf er sie in eine Ecke des Parkplatzes - zur Freude der Pendler, die morgen früh ihre Autos dort abstellen würden.
    Lange passierte überhaupt nichts. Wolf mußte sich an der Laterne festhalten, um nicht umzufallen. Vom Bahnhof wehten Lautsprecheransagen herüber. Manchmal kam ein Zug. Doch wenn noch Leute ausstiegen, dann verließen sie den Bahnhof alle nach vorne raus. Niemand kam nach hinten auf den Parkplatz.
    Um halb zwölf stachen Scheinwerfer in die dicken Regenfäden. Der Wagen blieb genau vor Wolf stehen. Ich hechtete vor, um die Marke und die Nummer zu erkennen. Doch ich sah nur blendendes Weiß.
    Wolf stieg ein. Im selben Moment gab es einen ohrenbetäubenden Knall.
    Ich war zu überrascht, um zu reagieren. Erst als der zweite Schuß fiel, warf ich mich in die Pfützen. Unmittelbar neben mir war ein Querschläger eingeschlagen und jaulend weitergeschossen - zum Glück erneut an mir vorbei. Plötzlich kam das Motorengeräusch näher. Als ich den Kopf hob, sah ich das grelle Licht unmittelbar vor mir. Es wurde rasend schnell größer. Ich rollte mich zur Seite - gerade rechtzeitig. Ein nasser Reifen schrammte an meinem Rücken vorbei. So schnell ich konnte, stand ich auf und sprang in die Büsche. Ich sah, wie der Wagen wendete, doch ich war schon aus der Schußlinie. Der kleine Fußweg, der den Parkplatz mit der Kaiserstraße verband, war durch Pfähle für Autos unpassierbar gemacht worden. Hier herunter konnten sie mir nicht folgen. Wenn ich allerdings Pech hatte, fingen sie mich unten auf der Straße ab.
    Ich fühlte mich, als hätte ich in voller Montur die Wupper durchschwommen. Das Wasser quatschte in den Schuhen. Jutta würde Verständnis dafür haben müssen, wenn die Sitze ihres BMW etwas feucht wurden. Triefend und völlig außer Atem erreichte ich den Wagen. Ich stieg ein, ließ den Motor an, stellte die Heizung auf superwarm und fuhr los.
    *
    Ich sah den Typen schon von weitem.
    Er stand an der Straße, die zu Juttas Wohnung führte, deutlich sichtbar im Licht einer Straßenlaterne. Er trug eine schwarze Bomberjacke, blaue Jeans und Springerstiefel. Hätte er einen geschorenen Kopf gehabt, wäre er als Skinhead durchgegangen. Ich fuhr vorbei bis zum Ende der Briller Höhe, wendete und lenkte den Wegen hinunter in die Stadt. Dann versuchte

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