Die Tote vom Johannisberg
sich in seinen Professor. Eigentlich kein Wunder, denn er ist ja der einzige, der sie wirklich versteht.«
»Vorher versucht sie, sich umzubringen.«
»Das«, erläuterte ich, »ist auch kein Wunder. Der Selbstmordversuch fand vor der Beziehung mit Satorius statt. Sicher war das eine sehr, sehr unglückliche Phase für sie. Sie kommt an die Hochschule und hat dann Schwierigkeiten mit den anderen Studenten. Irgendwann flüchtet sie sich in Romantraumwelten. Als die Liebe mit Satorius beginnt, hört aber auch das auf. Wahrscheinlich hat sie mit ihm so etwas wie Glück gefunden.«
»Das klingt jetzt so, als würdest du auch gerade einen Liebesroman schreiben. Meinst du nicht, daß Satorius Regina einfach nur ausgenutzt hat? Sie einfach als junges Liebchen hatte?«
»Das gibt es zwar oft«, wandte ich ein, »aber es scheint hier nicht der Fall gewesen zu sein.«
»Warum?«
Ich erzählte Jutta, daß Satorius eine Rose in Reginas Grab geworfen hatte. »Er hat es ohne Zeugen getan. Er mußte niemandem etwas beweisen. Also hat er es auch ernst gemeint.«
Jutta nickte. »Das stimmt. Aber warum wußte niemand von der Geschichte? Warum haben sie sie geheimgehalten?«
»Vielleicht weil Satorius eine Lokalgröße war. Vielleicht war er durch so etwas angreifbar. Ich glaube, das könnte sogar der entscheidende Punkt sein: Als Regina bei mir im Büro auftauchte, da war ihr Glück mit Satorius bedroht. Irgend etwas Schlimmes war passiert oder stand bevor.«
»Erpressung.«
»Genau. Die Frage ist nur: Wer erpreßte wen? Regina war offensichtlich ein Erpressungsopfer.«
»Und da hast du auch den Grund, warum Regina auf dem Dachboden war. Bei Erpressungen trifft man sich an ungewöhnlichen Orten, um Geld zu übergeben.«
»Das ist kein Grund«, wandte ich ein. »Nehmen wir an, Regina wurde erpreßt und sollte jemandem Geld in das Konzert mitbringen. Warum steckt sie es ihm nicht einfach im Foyergewühl zu?«
»Vielleicht war es kein Geld? Vielleicht war es etwas, das auf dem Dachboden versteckt war? Rauschgift vielleicht? Oder ein wertvolles Dokument?«
»Eine Partitur. Regina ist die Geliebte von Satorius. Satorius hat Zugang zu der Lehár-Partitur. Kann so etwas für bestimmte Leute wertvoll sein?«
»Und wie. Handschriften großer Komponisten - natürlich ist das was Wertvolles.«
»Vielleicht hat Satorius dem Besitzer die Originalpartitur abgeluchst. Und sie verkauft. Und sie sollte vor dem Konzert übergeben werden. Vielleicht hat Regina für ihn den Deal abgewickelt. Weil er ja beschäftigt war.«
»Hm. Dann hat jemand anders den Zeitpunkt festgelegt. Denn so etwas vor einem Konzert zu machen, ist sehr ungünstig. Aber das paßt auch nicht. Man muß eine Partitur nicht an so einem Ort übergeben. Auch das kann man im Foyer vor einem Konzert tun. Aber Moment«, sagte Jutta. »Die Erpressung ist nur eine Hypothese. Bleiben wir erst mal bei den Fakten.«
»Richtig. Zum Beispiel die Fakten über Mallberg. Er hat es offenbar auf plumpe Weise verstanden, die Polizei von der Selbstmordtheorie zu überzeugen und damit Ermittlungen in eine andere Richtung zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen. Seine Frau macht einmal im Leben etwas auf eigene Faust und engagiert mich, weil sie spürt, daß das mit dem Selbstmord nicht stimmt. Die Folge sind Ablehnung durch Mallberg, dann Bedrohungen, Körperverletzung und heute sogar ein Mordversuch. Fazit: Mallberg steckt ganz dick drin.«
»Aber er hat doch nicht seine eigene Tochter erpreßt? Warum hätte er das tun sollen?«
»Er war mit Sicherheit gegen die Verbindung mit Satorius.«
»Weshalb die beiden das auch geheimgehalten haben. Da haben wir den Grund.«
»Genau. Satorius und Regina wußten, daß Mallberg zu ziemlich drastischen Mitteln greifen würde, um die Beziehung der beiden zu verhindern. Mallberg hatte es herausgefunden und wollte seiner Tochter einen Denkzettel verpassen.«
»Und wie kommt Wolf ins Spiel? Und die starken Burschen, die uns hier umgeben?«
»Vielleicht war Mallberg in dieser Chérie-Bar an der B 7 gar kein Kunde.«
»Du meinst, ihm gehört der Laden?«
»Warum nicht? Das wäre ein Ansatzpunkt.«
Wir wußten beide nichts mehr zu sagen, und wie auf Kommando ertönte in diese Pause hinein die Türklingel.
»Verdammt, was ist das jetzt?« sagte ich leise. Ich sah zur Uhr. Es war kurz vor eins.
»Was soll ich machen?« fragte Jutta.
»Kannst du sehen, wer da ist? Ich meine, ohne daß er es merkt?«
»Ich kann den Vorhang vor der Glastür
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