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Die Tote von Buckingham Palace

Die Tote von Buckingham Palace

Titel: Die Tote von Buckingham Palace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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einen durch das wechselnde Licht hervorgerufenen Effekt hätte halten können. »Das ist anzunehmen.«
    »Entsprechendes gilt wohl auch einerseits für all jene, die für die Bahn Bauholz, Stahl und Arbeitskräfte beschaffen, sowie andererseits für jene, die sich mit der Ausfuhr von Gold, Diamanten, Kupfer, Elfenbein und Holz aus Afrika beschäftigen«, fügte Narraway hinzu.
    Auf dem Gesicht seines Gegenübers regte sich nichts. Forbes holte Luft und stieß sie mit einem Seufzer wieder aus. »Sie wollen wissen, warum ich mich nicht an dem Projekt beteilige. Sollten Sie persönliche Gründe dahinter vermuten, die mit Cahoon Dunkeld zu tun haben, würden Sie sich irren. Ich habe über die Hälfte meines Lebens in Afrika verbracht.« Jetzt lag ein deutlicher Ausdruck tiefer Empfindung auf seinen Zügen. Sie ließ sich nicht nur an seinen Augen und um seinen Mund herum ablesen, sondern war auch an der Art zu erkennen, wie er die Nackenmuskeln anspannte. »Ich liebe den Kontinent. Er ist das letzte große Geheimnis auf der Welt und als einziger so groß, dass wir ihn mit unserer Kleinheit nicht bezwingen können. Auch wird es uns nicht gelingen, seinen Bewohnern unseren Stempel aufzudrücken und ihnen einzureden, wir seien Gottes Ebenbild.«
    Narraway war verblüfft. Einen solch leidenschaftlichen Ausbruch hätte er dem Mann nie und nimmer zugetraut.
    »Sie kennen Afrika nicht«, fuhr Forbes leise fort. »Seine Sonne hat nie Ihr Gesicht verbrannt, und nie haben Sie den heißen Wind gespürt, der über eine sich tausend Meilen weit erstreckende Savanne weht, in der wilde Tiere leben, so zahlreich wie die Sandkörner am Meer. Sie haben nicht die flammenden Sonnenuntergänge hinter den Akazien erlebt, nicht das Gebrüll von Löwen gehört, während nachts das Kreuz des Südens über Ihnen am dunklen Himmel stand, und auch nicht das Ohr an den Boden gelegt, wenn er unter dem Donner von einer Million Hufen zittert. Haben Sie schon einmal die Wimpern einer Giraffe gesehen,
kennen Sie den Anblick eines dahinjagenden Geparden? Haben Sie je das Entsetzen in Ihrem Blut und Ihren Eingeweiden gespürt, wenn Sie merkten, dass sich ein Leopard an Sie anschleicht? Erst wenn Sie all das erlebt haben, wissen Sie, wie herrlich das Leben ist und wie unglaublich gefährdet zugleich.«
    Er schüttelte den Kopf kaum wahrnehmbar, sodass Narraway das fast entgangen wäre. »Hier in England trennt eine gläserne Wand die Menschen von der Wirklichkeit. Ich möchte nicht miterleben, dass man das Letzte, was auf Erden wahrhaft Begeisterung auszulösen vermag, durch Eisenbahnen in Ketten schlägt und Männer mit Bibeln in der Hand alle Menschen auffordern, ihre Blöße zu bedecken.« Mit einer eleganten Bewegung breitete er seine kräftigen Hände aus. »Ich habe nichts gegen Streichquintetts, Mr Narraway, aber man sollte nicht den Klang der Trommel deshalb zum Verstummen bringen, weil man sie nicht versteht – ganz davon abgesehen, dass diejenigen, die Streichinstrumente spielen, Stahl und Schießpulver besitzen, im Unterschied zu denen, welche die Trommel schlagen.«
    Narraway gab Forbes darauf nicht sogleich eine Antwort. Er sah aufmerksam auf dessen angespanntes Gesicht, in dem die kräftige Nase und der Mund so ausdrucksvoll wirkten, obwohl er die Lippen fest zusammengepresst hatte.
    Er schwieg so lange, dass schließlich Forbes aufs Neue das Wort ergriff. »Hat denn unser Weltreich den Zweck«, fragte er, »aus allem etwas zu machen, was man kaufen und verkaufen kann?«
    Diese Vorstellung war Narraway zuwider. Eine solche Haltung wäre seiner Ansicht nach nicht nur einfach anstößig, sondern geradezu Gotteslästerung. Forbes aber brauchte nicht zu wissen, was er dachte.
    »Sie sehen darin Ausbeutung?«, fragte er ruhig.
    »Ist es das etwa nicht?« Forbes’ schwarze Brauen hoben sich. Er sah Narraway aufmerksam an.
    »Und Sie sind dagegen?«, fragte Narraway mit kaum spürbarem Sarkasmus in der Stimme.
    Zorn trat auf Forbes’ Züge und verschwand gleich wieder.
»Betrachten wir die Sache doch einmal längerfristig«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Wie wird Afrika in einem Jahrhundert aussehen? Wird es ein von uns beherrschtes Gebiet sein, unser Freund, unser Feind, der Schauplatz von Kriegen?«
    Wieder schwieg Narraway.
    »Wir selbst werden das nicht mehr erleben«, schloss Forbes. »Aber kommt es nur darauf an? Darf das die Grundlage für alle Einschätzungen bilden?«
    Statt darauf zu antworten, sagte Narraway: »Wenn ich Sie richtig

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