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Die Tote von Buckingham Palace

Die Tote von Buckingham Palace

Titel: Die Tote von Buckingham Palace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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überschlugen sich seine Gedanken.

KAPITEL 5
    A m Tag, nachdem er Gracie Phipps der Fürsorge Mr Tyndales anvertraut hatte, nahm Narraway eine Droschke zum Unterhaus. Er schrieb auf eine Karte, dass er Somerset Carlisle gern in einer äußerst dringenden Angelegenheit sprechen würde, und bat einen Saaldiener, sie dem Abgeordneten zu übergeben, ganz gleich, wo er sich befinden mochte. Dann wartete er, wobei er unruhig auf und ab schritt. Immer wieder sah er zu den Türen des Vorraums hin, durch die Carlisle kommen musste. Sobald er Schritte hörte, steigerte sich seine Anspannung, und obwohl er viele der Abgeordneten kannte, die an ihm vorüberkamen, vermied er es, die Männer anzusehen. Es bekam seiner Arbeit besser, wenn er sich im Hintergrund hielt, und so wusste kaum jemand genau, wie er aussah oder wer er war.
    Nach etwa zwanzig Minuten kam Carlisle. Man hörte seine Schritte auf dem Steinfußboden kaum. Sein Gesicht war schon immer hager gewesen, inzwischen aber schien er ganz allgemein schmaler geworden zu sein und hielt sich auch nicht mehr ganz so aufrecht, doch blitzten in seinen Augen unter den dichten Brauen nach wie vor wache Intelligenz und Spottlust.
    »Was ist so dringend, dass Sie sich ans Tageslicht wagen?«, fragte er mit gedämpfter Stimme. Vorübergehende hätten angenommen, dass er sich mit einem Besucher aus seinem Wahlkreis unterhielt.
    »Ich muss etwas wissen«, sagte Narraway mit einem schmalen Lächeln.

    »Was für eine Überraschung.« Carlisle war eher belustigt als sarkastisch. »Worüber?«
    »Das Projekt der Eisenbahnverbindung zwischen Kapstadt und Kairo.«
    Überrascht hob Carlisle die Brauen. »Und das ist so dringend, dass Sie mich aus einer Besprechung mit dem Innenminister herausholen müssen?«
    »Ja«, gab Narraway knapp zurück. Als er Carlisles Zweifel erkannte, fügte er hinzu: »Sie müssen mir das glauben.«
    »Bis zur Fertigstellung dieser Bahnlinie werden Jahrzehnte ins Land gehen«, gab Carlisle zu bedenken und sah Narraway aufmerksam an. »Immer vorausgesetzt, sie wird überhaupt gebaut. Ich könnte mir im Augenblick nichts Unwichtigeres vorstellen.«
    »Ich muss wissen, worum es dabei geht und wer daran beteiligt ist«, teilte ihm Narraway mit. »Noch heute, und selbst das könnte schon zu spät sein.«
    Carlisle zeigte ihm deutlich, dass er das nicht glaubte. Auf seinen Zügen lag unverkennbarer Ärger, als sei er überzeugt, dass ihm Narraway eine Lügengeschichte auftische, um sich seiner zu bedienen. »Wenn ich Ihnen Einzelheiten sagen soll, müssen wir allein sein. Niemand darf etwas davon mitbekommen und uns möglichst auch nicht zusammen sehen.«
    Narraway gab nach, um nicht unnötig Zeit zu verlieren. Der Fall war denkbar unerfreulich. Da der Kronprinz darin verwickelt war, und sei es noch so sehr am Rande, musste man weit behutsamer vorgehen als bei anderen Gewalttaten oder anarchistischen Aktionen. Sofern es zu einem Skandal kam, konnte unabsehbarer Schaden entstehen.
    »Ich schlage einen Spaziergang zum Birdcage Walk vor«, sagte Carlisle. »Sobald wir Westminster hinter uns haben, können Sie mir sagen, was Sie wissen müssen, und ich gebe Ihnen alle Informationen, die ich habe. Aber ich muss Sie darauf hinweisen, dass das ganze Projekt bisher rein spekulativer Art ist. Zweifellos würde Cecil Rhodes es unterstützen, was der Sache nur dienlich sein
könnte. Ein ausgesprochen ehrgeiziger Mann. Sie haben doch nicht etwa mit ihm zu tun?«
    »Nein«, sagte Narraway gequält. »Zumindest bezweifle ich das. Es hat weit mehr mit Dingen zu tun, die unmittelbar hier in London geschehen.«
    »Vermutlich wissen Sie, wovon Sie reden, ich hingegen habe nicht die geringste Ahnung«, sagte Carlisle resigniert. »Aber schön, ich höre mir an, was Sie zu sagen haben.«
    Carlisle ging Narraway voraus die Great George Street entlang. Langsamen Schrittes entfernten sie sich von der Themse mit ihren Ausflugsdampfern, Schleppkähnen und Fähren, bis sie schließlich den Birdcage Walk im St. James’s Park erreichten, wo sie nahezu gänzlich allein waren. In der grünen Weite rechts von ihnen raschelte leise das Laub auf den Bäumen und gingen Paare spazieren, die für nichts anderes Augen und Ohren hatten als einander.
    Endlich begann Narraway zu sprechen. Seiner Überzeugung nach war die Sache äußerst dringlich, weil unbedingt vermieden werden musste, dass sie aus dem Ruder lief. Er wusste nicht, ob der Mord auch nur in irgendeiner Weise mit dem Projekt der

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