Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)
Tagen ist Frau Dr. Strauss gestorben, zu der Ihre Frau damals wegen einer Beratung ging. War Ihnen die Dame bekannt?«
Bäumer kniff die Augen zusammen, als blickte er in die Sonne, und schüttelte den Kopf. »Nie jehört.«
»Das glaube ich Ihnen nicht, Herr Bäumer. Frau Schröder, die Mitarbeiterin von Frau Dr. Strauss, hat gegenüber der Polizei ausgesagt, dass Sie Frau Dr. Strauss im Mai überfallen und bedroht haben.«
Als erneut lautes Kindergeschrei ertönte, trat Bäumer in den Flur und brüllte: »Ruhe da drüben! Ick versohl euchjleich!« Er wandte sich zu Leo. »Alleene mit vieren, det is keen Vajnujen.«
»Das kann ich mir vorstellen«, sagte Leo und meinte es auch so. »Noch einmal, Herr Bäumer: Sind Sie Frau Dr. Strauss jemals begegnet? Und wenn ja, haben Sie sie bedroht und ihr vorgeworfen, den Tod Ihrer Frau mitverschuldet zu haben?«
Als wieder Geschrei ertönte, stürmte der Vater aus der Küche. Leo hörte ein lautes Klatschen, eine Tür wurde zugeschlagen, dann herrschte Stille.
»Jetz is Feierabend.« Bäumer trank einen Schluck Milch aus der Flasche und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. »Jut, ick bin da jewesen. Hatt ick vajessen, is schon so lange her.«
Leo ließ sich nicht gerne für dumm verkaufen. »Soso. Und?«
»Ick wollt ihr ’n bisschen Angst machen, verstehn Se? Det Aas hat meene Stine zur Engelmacherin jeschickt. Daran isse verblutet, und ick steh mit die Jören da.«
»Den Unterlagen zufolge hat Frau Dr. Strauss ihr einen Arzt empfohlen, der trotz gesetzlichen Verbotes Schwangerschaftsabbrüche durchführt, und zwar unter medizinisch einwandfreien Bedingungen. Anscheinend hat Ihre Frau das Angebot nicht wahrgenommen.«
»Bestimmt hat sie sich nich jetraut, wegen det Jeld und weil er ’n feiner Pinkel war«, stieß Bäumer hervor. Dann hielt er inne und sah Leo misstrauisch an. »Warum sind Se eijentlich zu mir jekommen? Doch nich wegen Stine. Um uns schert sich keener da oben.« Er machte eine ausholende Handbewegung, die wohl Polizei, Politik und die übrigen Vertreter des Staates umfassen sollte.
»Frau Dr. Strauss ist tot. Sie wurde vermutlich ermordet.«
Der Mann brach in raues Gelächter aus. »Und ick soll ihr abjemurkst haben? Mit die Hände oder wie?« Er streckteseine groben Pranken vor sich aus. »Nee, nich mit mir. Det hängen Se mir nich an. Ick hab ihr det eene Mal jesehn und danach nie wieder. Die Stine is tot, und keener bringt se mir zurück.«
Leo glaubte ihm. Weshalb hätte Bäumer monatelang warten sollen, wenn er Henriette Strauss hätte töten wollen? Eine solche Tat wäre höchstens im Affekt denkbar gewesen. Eigentlich war er hergekommen, um noch ein wenig über die Tote zu erfahren, ein kleines Stück zum Bild hinzuzufügen.
»Beantworten Sie mir noch eine Frage, Herr Bäumer: Wie hat sich Frau Dr. Strauss verhalten, als Sie sie bedroht haben?«
Er zuckte mit den Schultern. »Janz ruhig, als hättse keene Angst. Die war nich ohne.«
Das bestätigte, was Leo schon von anderen gehört hatte. Eine eindrucksvolle Frau.
Er verabschiedete sich und hörte im Treppenhaus, wie der Vater aufs Neue die Kinder anbrüllte. »Raus mit euch, ick will schlafen. Muss jleich wieder auf Schicht!«
Während er die Höfe durchquerte, fühlte sich Leo flüchtig an seine eigene Lage erinnert, nur hatte er mehr Glück gehabt als Bäumer.
Als er den Wagen in Richtung Burg steuerte, versuchte er, die Gedanken an Clara zu verdrängen. Sie hatten seit vorgestern nicht miteinander gesprochen. Er wollte in Ruhe nachdenken, doch blieb ihm während der Arbeit keine Zeit dafür. Gestern Abend hatte er Georg bei den Hausaufgaben geholfen und noch in den Nachschlagewerken über Gifte gelesen. Danach war er so müde gewesen, dass er gleich eingeschlafen war.
Er hätte gern mit jemandem geredet. Ob er Robert zum Mittagessen einladen sollte? Gewiss, es hatte Unstimmigkeiten zwischen ihnen gegeben, aber Robert war immer seinbester Freund gewesen, auch wenn sie so verschieden waren. Er würde ihn im Büro fragen.
Robert Walther wartete schon mit den Neuigkeiten von seinem Besuch bei Professor Heffter.
»Er will sich persönlich darum kümmern?«, fragte Leo erstaunt. »Gute Arbeit. Ich hatte immer nur mit seinen Assistenten zu tun.«
»Es war Zufall«, erwiderte Walther bescheiden. »Die anderen waren schon gegangen.«
»Egal, jedenfalls haben wir den Besten seines Fachs. Wann will er sich melden?«
»Sobald er etwas gefunden hat.
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