Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)
Mehr konnte er auf die Schnelle nicht sagen.«
Leo nickte. »Gut. Wie wär’s heute Mittag mit einer Erbsensuppe bei Aschinger? Ich lade dich ein.« Dort war es zwar laut und voll, aber die Leute gingen nur wegen des billigen Essens und der kostenlosen Brötchen hin. Da konnten sie ungestört reden.
»Gern«, sagte Walther. »Wo warst du heute Morgen?«
Leo berichtete von der Befragung Bäumers. »Der Mann hat gewiss nichts mit dem Fall zu tun. Wenn er Henriette Strauss etwas hätte antun wollen, wäre er nicht so subtil vorgegangen. Das ist einer, der zuschlägt oder würgt, kein Giftmörder. Und warum hätte er von Mai bis Oktober warten sollen? Nein, wir müssen uns auf andere Bereiche konzentrieren – Privatleben einschließlich Familie, das Luisenkrankenhaus, die Freundinnen.«
Als sie später an einem Stehtisch in der Ecke des hallenartigen Lokals standen und Erbsensuppe löffelten, sagte Leo: »Wenn wir erst einmal das Gift kennen, könnte uns das einiges über den Täter sagen.«
»Oder die Täterin«, warf Walther ein.
»Du denkst an die klassische Theorie, dass vor allem Frauen mit Gift töten? Die ist nicht wissenschaftlich erwiesen.«
Walther trank einen Schluck Fassbrause. Bier im Dienst war nicht erlaubt, Aschinger hin oder her. »Tja, die Giftmorde, von denen ich gelesen habe, wurden allesamt von Frauen begangen.«
Leo schaute nachdenklich in seinen Suppenteller. »Sie war eine Frau, die alles getan hat, um anderen Frauen zu helfen. Da passt es eigentlich nicht, dass sie von einer Frau getötet worden sein soll.«
»Dennoch kann es einen Grund gegeben haben, von dem wir noch nichts wissen. Eifersucht, Neid, Habgier, du kennst doch die Motive. Wir sollten der Sache mit dem Brief nachgehen, den ich in ihrer Wohnung gefunden habe. Er könnte von einem Liebhaber stammen. Vielleicht gab es da eine eifersüchtige Frau?«
Leo nickte. »Wir müssen noch mal mit der Familie sprechen. Da haben wir bislang zu wenig erfahren.« Er zog ein Blatt Papier aus der Manteltasche und entfaltete es. »Ich habe einige Atemgifte herausgeschrieben. Die meisten können wir ausschließen. Vielleicht nützt die Liste aber als Vergleich zu dem, was Heffter uns liefert.«
Walther warf einen Blick auf das Blatt. »Phosgen? Das ist doch das Giftgas, das im Krieg eingesetzt wurde.«
Leo nickte. »Kommt aber nicht in Frage. Es hat einen charakteristischen Geruch, den man sofort bemerkt hätte. Das Gleiche gilt übrigens auch für Ammoniak.«
»Cyanwasserstoff oder Blausäure?«
Leo schüttelte den Kopf. »Die Symptome stimmen nicht überein.«
»Also warten wir auf Heffters Bericht.« Walther zögerte und schob den leeren Teller beiseite. »Danke für die Einladung.«
»Keine Ursache. Ich wollte ohnehin mit dir reden.«
»Wegen der Urlaubstage?«, fragte Walther sofort.
Leo sah ihn erstaunt an. »Denkst du immer noch darübernach? Wenn ich dich entbehren kann, bekommst du frei, wenn nicht, dann nicht. Aber darum geht es nicht.«
Er erzählte von seinem Gespräch mit Clara.
»Hm, klingt fast, als hätte sie beim Thema Heirat kalte Füße bekommen«, sagte Walther gedankenlos. Als er Leos betretenen Blick sah, fügte er rasch hinzu: »Vermutlich war sie nur überrascht. Immerhin ist deine häusliche Lage, nun ja, heikel.«
Leo winkte ab. »Es kann nicht ewig so weitergehen. Das weiß Ilse auch. Als ich bei Frau Dr. Schott war, habe ich gefragt, ob sie Hilfe in der Praxis gebrauchen kann. Einige Stunden in der Woche, hat sie gesagt, mehr könne sie nicht bezahlen.«
»Du meinst, das wäre etwas für Ilse?«
Leo nickte, bemerkte aber Walthers skeptischen Blick.
»Natürlich reicht es nicht, um davon zu leben, aber es wäre ein Anfang.«
Walther trank sein Glas aus. »Meinst du nicht, sie muss das selbst in die Hand nehmen?«
Leo seufzte. »Vielleicht hast du recht.«
»Nicht nur vielleicht. Du kannst ihr kein fertiges Leben vorsetzen, Leo. Du brauchst gar nicht viel zu tun, außer geduldig zu sein. Sie ist nicht dumm. Über kurz oder lang wird sie begreifen, dass sie ausziehen muss. So einfach ist das. Und dann kannst du mit Clara etwas planen. Vorher nicht.«
Leo war sich nicht sicher, ob er auf diesen Rat gehofft hatte. Er sah auf die Uhr. »Wir müssen los.«
Am Nachmittag fanden sich Dr. Alice Vollnhals und Grete Meyer zu einer Befragung im Morddezernat ein. Beide Frauen waren dunkelhaarig, doch die Anwältin fiel durch ihre strenge Hornbrille auf, die ihr hübsches Gesicht ein wenig zu sehr
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