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Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)

Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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wenden, doch dann wurde ihr klar, dass diese Vorgänge allgemein üblich waren. Nicht nur im Luisenkrankenhaus, auch in anderen Kliniken. Auf ihrer Station war übrigens Dr.   Stratow dafür verantwortlich.«
    »War das der Grund für ihre Trennung?«
    »Das weiß ich nicht.«
    Sonnenschein hob die Hand. »Wie genau müssen wir uns das vorstellen? Können Ärzte einen Patienten ohne Weiteres für solche Versuche benutzen?«
    Dr.   Vollnhals lachte bitter. »Nun, bei einem wohlhabenden männlichen Patienten würden sie es gewiss nicht wagen. Die Probanden sind in der Regel Frauen, meist aus der Unterschicht, und Kinder aus armen Verhältnissen, in manchen Fällen auch geistig zurückgeblieben.«
    Sonnenschein stellte die Frage, die ebenso einfach wie naheliegend war: »Ist das nicht verboten?«
    Grete Meyer wiegte den Kopf und holte einen Schreibblock aus der Tasche. »Ich habe mir einige Notizen gemacht, weil ich damals die rechtlichen Hintergründe für Henriette überprüft habe.« Sie blätterte kurz. »Im Jahr 1900 erging in Preußen ein Erlass über Menschenversuche. Demnach sind alle medizinischen Eingriffe verboten, die nicht der Diagnose, Heilung oder Immunisierung gegen Krankheiten dienen.«
    »Das heißt, man dürfte so etwas nicht einfach nur zu Forschungszwecken durchführen?«, erkundigte sich Walther.
    »Genau. Und an Minderjährigen und Personen, die nicht voll geschäftsfähig sind, schon gar nicht. So muss auch bei Minderjährigen, die operiert werden sollen, die Einwilligung der Erziehungsberechtigten eingeholt werden. Wenn das nicht geschieht, verstoßen die Ärzte gegen das Gesetz.«
    Die drei Männer sahen einander an. Das gab dem Fall nun möglicherweise eine neue Wendung.
    Leo lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Hätte Frau Dr.   Strauss nichts dagegen unternehmen müssen?«
    »Sie hat Material gesammelt, das ich für sie aufbewahrt habe«, entgegnete Grete Meyer in scharfem Ton, als wollte sie die tote Freundin in Schutz nehmen. »Aber wie Sie vielleicht wissen, gilt unter Medizinern ein ganz besonderer Ehrenkodex. Man hält zusammen, vor allem, wenn Druck von außen entsteht. Hätte Henriette ihre Kollegen angezeigt, wäre sie für das Krankenhaus untragbar geworden. Zudem hätte sie ihnen die widerrechtlichen Versuche erst einmal nachweisen müssen, was nicht einfach gewesen wäre. Im schlimmsten Fall hätte man ihr nicht geglaubt, und sie hätte ihre berufliche Laufbahn umsonst riskiert.«
    »Ich will ihren Charakter überhaupt nicht in Frage stellen«, entgegnete Leo ruhig. »Nach allem, was ich über sie gehört habe, war sie ein zutiefst moralischer Mensch. Mir geht es eher um die Frage, ob wir hier ein Motiv für den Mord an Dr.   Strauss finden können.«
    Walther deutete auf die Akten, die Leo vor sich liegen hatte. »Gib mir bitte mal den Bericht, den Berns und ich nach dem Besuch im Krankenhaus verfasst haben.«
    Leo holte einige zusammengeheftete Blätter heraus, und Walther las vor. »Eine Krankenschwester, Gertrud Pollack, wirkt bei ihrer Aussage leicht gehemmt. Sie schaut sich um, als hätte sie Angst, belauscht zu werden. Dann gibt sie zu Protokoll, dass Dr.   Strauss eine fachkundige und freundliche Vorgesetzte gewesen sei. Ihr seien keine ungewöhnlichen Vorkommnisse aufgefallen.   – Mit der Krankenschwester sollten wir noch einmal sprechen. Es war nichts Bestimmtes, worauf wir sie hätten festnageln können, aber ihr Verhalten war merkwürdig.«
    »Gut. Erkundigen Sie sich, wann die Frau Dienst hat. Sonnenschein soll mit ihr sprechen.« Manchmal war es nützlich, bei der zweiten Befragung einen anderen Kollegen zu schicken, vor allem, wenn dieser so harmlos und vertrauenerweckend auftrat wie Sonnenschein.
    Leo bedankte sich bei den Frauen. »Wir kommen bestimmt noch einmal auf Sie zurück. Sollte Ihnen noch etwas einfallen, können Sie sich jederzeit hier im Dezernat melden.« Er gab ihnen seine Karte. »Eine letzte Frage noch: Hat Dr.   Strauss eigentlich oft über ihre Familie gesprochen?«
    »Kaum. Nur über den Neffen«, sagte Grete Meyer, »an dem hing sie sehr.«
    Ihre Freundin nickte. »Adrian, der Geiger. Ja, er hat ihr viel bedeutet. Ich war einmal mit ihr in einem Konzert, da wirkte sie richtig stolz, als er die Bühne betrat. Er spielt wirklich ausgezeichnet.«
    »Danke«, sagte Leo. Nichts Neues in dieser Hinsicht. Aber die Geschichte mit den medizinischen Versuchen klang vielversprechend.

11
     
     
Ich mag zehn oder elf Jahre alt gewesen sein, als

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