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Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)

Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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dem der Paternostererbse verwandt, wenn auch etwas schwächer in der Wirkung ist. Es gehört, wie in meinem Bericht erwähnt, ebenfalls zu den Toxalbuminen. Ich spreche vom Wunderbaum. Kennen Sie Rizinusöl?«
    »Natürlich.«
    »Es wird seit Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden, aus den Samen des Wunderbaums gewonnen. Stellen Sie sich vor, Sie pressen die Samen aus. Das so erhaltene Öl kann für diverse, auch medizinische Zwecke verwendet werden und ist ungiftig. Die Samenschalen aber, die beim Pressen zurückbleiben, sind hochgefährlich. Aus ihnen kann das Gift Rizin gewonnen werden, das sich beispielsweise in Wasser lösen oder in Pulverform lagern lässt.« Er schien zu merken, dass Leo angesichts dieses Diskurses ungeduldig wurde. »Nun, Sie wissen, dass im letzten Krieg Giftgas eingesetzt wurde, eine sogenannte chemische Waffe. Allerdings wird auch daran geforscht, Waffen auf biologischer Grundlage herzustellen. Angeblich hat das amerikanische Militär während des Krieges sogar versucht, Waffen mit Rizin zu bestücken. Die Presse hat darüber berichtet.«
    »Ich verstehe nicht ganz, worauf Sie hinauswollen.«
    »Wie gesagt, die beiden Gifte sind verwandt. Diesen Forschungen zufolge sollte das Gift eingeatmet werden, in Pulverform oder flüssig, als feiner Sprühnebel. Sie sollten also Rizin und die Kriegswaffenforschung bei Ihren Ermittlungen vielleicht nicht außer Acht lassen. Grundsätzlich aber gilt: Was mit Rizin möglich ist, sollte auch mit Abrin, dem Giftder Paternostererbse, das zudem noch deutlich stärker wirkt, durchzuführen sein. Wenn die Samen gemahlen oder zu Pulver zerrieben werden, können sie in Wasser aufgelöst werden, das ist nicht weiter schwierig. Falls ein Mensch diese Lösung in irgendeiner praktikablen Form einatmet, wäre eine Vergiftung der Atemwege denkbar.«
    Leo hielt unwillkürlich den Atem an. Das waren viele Informationen auf einmal. Aber passten sie zu seinem Fall?
    »Wer käme für eine solche Tat in Frage?«
    Der Professor zuckte mit den Schultern. »Wie gesagt: Eigentlich sind Sie hier der Kriminalist.«
    »Sicher, aber Sie könnten eventuell erklären, auf welchen Personenkreis dies hindeuten würde.«
    »Nun, sagen wir so: Besondere Fähigkeiten sind dazu nicht unbedingt erforderlich. Wenn man weiß, wie es geht, kann jeder halbwegs geschickte Mensch unter den nötigen Sicherheitsvorkehrungen eine solche Lösung herstellen. Allerdings beantwortet das nicht die Frage, wie das Gift in den Körper gelangt ist. Es dürfte relativ schwierig sein, jemanden zu zwingen, die Flüssigkeit einzuatmen.«
    Leo wusste selbst, dass dies die entscheidende Frage war, auf die er bisher nicht einmal den Ansatz einer Antwort hatte. Dann kam ihm eine Idee. »Sie sprachen von einem feinen Sprühnebel. Wäre es auch denkbar, dass man die Flüssigkeit mit einer Sprengflasche wie zum Wäschebügeln verteilt hat?«
    »Sie meinen eine Flasche, aus der ganze Tropfen herausfliegen, wenn man sie schüttelt?«
    »Genau. Der Täter könnte das Gift in einer Flüssigkeit aufgelöst und mit Hilfe der Flasche verteilt haben.«
    Heffter schüttelte den Kopf. »Da muss ich Sie leider enttäuschen. Die so entstehenden Partikel wären viel zu groß, um in die Atemwege zu gelangen. Die austretenden Tropfen würde das Opfer höchstens verschlucken. Um die fraglichenSymptome zu erzielen, müsste der Sprühnebel jedoch eingeatmet werden, und das werden Sie mit einem Sprenger nicht erreichen.«
    Wieder löste sich eine Spur auf, noch bevor sie richtig Gestalt angenommen hatte. Dennoch gab sich Leo nicht so schnell geschlagen. »Wie lange dauert es, bis sich nach dem Einatmen die Vergiftungssymptome zeigen?« Ein wichtiger Punkt, den er beinahe vergessen hätte.
    Heffter überlegte. »Die Symptome dürften bei entsprechender Dosis recht schnell auftreten. Innerhalb weniger Stunden, würde ich sagen.«
    »Gut, damit können wir den Zeitpunkt der Vergiftung eingrenzen.« Leo erhob sich. »Herr Professor, ich danke Ihnen, dass Sie sich so viel Zeit genommen haben. Es war höchst anregend.«
    »Eine faszinierende Geschichte. Lassen Sie von sich hören, wenn der Fall aufgeklärt ist.«
    »Das werde ich.«
    Leo verabschiedete sich und verließ das Büro des Professors. Kriegswaffenforschung? Damit hatte seines Wissens niemand aus Henriette Strauss’ Umfeld zu tun. Doch trotz aller alten und neuen Fragen, die das Gespräch aufgeworfen hatte, war er zuversichtlich. Sein Gefühl sagte ihm, dass die Paternostererbse

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