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Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)

Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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Sonnenschein
.« Er betonte den Namen auf eine sonderbare Weise.
    Als sie in den Flur traten, entdeckten sie eine Gruppe von Beamten, die vor der Tür zu ihrem Büro standen und hineinstarrten.
    Sonnenschein ging unwillkürlich schneller, drängte sich zwischen den Kollegen hindurch und sah   – seinen Vater.
    »Mein Junge.« Nathan Sonenszajn sprang auf. Er hatte eine Schramme auf der Stirn, aus der Blut übers Gesicht bis in seinen Bart geronnen war. Dann folgte ein Redeschwall auf Jiddisch, die Hände hatte der Vater auf die Schultern seines Sohnes gelegt.
    »Was ist hier los?« Leo war ins Zimmer getreten. Er warf einen Blick auf den Mann und schlug den Kollegen die Tür vor der Nase zu.
    Sonnenschein sah ihn aufgeregt an. »Herr Kommissar, das ist mein Vater, Herr Nathan Sonenszajn. Er betreibt eine Fleischerei in der Gormannstraße, in der Nähe des Arbeitsnachweises. Er sagt, dort würden Juden angegriffen.«
    »Mal langsam.« Leo setzte sich an den Schreibtisch. »Warum kommt er damit zur Kripo?«
    »Weil ich sein Sohn bin«, erklärte Sonnenschein.
    »Verstehe.« Leo schaute von einem zum anderen. »Trotzdem ist das ein Fall für die Schupos, nicht für uns. Straßenunruhen fallen nicht in unseren Zuständigkeitsbereich. Außerdem haben wir Dringenderes zu tun.«
    Sonnenschein holte tief Luft. »Dann bitte ich um vorübergehende Beurlaubung. Mein Vater wurde verletzt, er ist nicht der Einzige. Die Leute werden durch die Straßen gejagt, ausgezogen und verprügelt. Und die Polizei schaut zu.«
    »Augenblick mal. Soll das heißen, es sind Schupos vor Ort, die nicht einschreiten?«
    Sonnenschein nickte. »So habe ich meinen Vater verstanden.«
    »Was hat er sonst noch gesagt?«
    »Er hat in seinem Laden gestanden. Ihm waren schon seit Tagen Personen aufgefallen, die Flugblätter verteilten. Sie selbst hatten ja auch eins bekommen.«
    Leo erinnerte sich nur zu gut, wie er den besorgten Kollegen beschwichtigt hatte.
    »Vor dem Arbeitsnachweis hatten sich wie immer viele Leute versammelt. Er wurde schon auf dem Weg in seinen Laden angepöbelt, man belästigt also nicht nur Leute, die Arbeit suchen oder ihr Geld abholen wollen. Das waren Aufwiegler, die sich unter die Menge gemischt hatten.«
    »Und dann?«
    »Angeblich soll das Amt um halb zwölf erklärt haben, es sei kein Geld mehr vorhanden. Daraufhin kam es zu Ausschreitungen.«
    Der Fleischer gestikulierte mit den Armen und deutete auf die Tür.
    »Mein Vater sagt, er müsse zurück in seinen Laden. Er hat Angst, dass sie ihn plündern. Ich gehe mit.«
    Leo überlegte rasch. Sonnenschein durfte nicht auf eigene Faust handeln, und wenn der Betroffene zehnmal sein Vater war. Während seiner Dienstzeit hatte er seine Pflicht zu erfüllen, und die hieß: Ermittlungen im Fall Strauss.
    Und ihn selbst ging das hier schon gar nichts an, es war eindeutig ein Fall für die Schutzpolizei. Er würde korrekthandeln, wenn er den jüdischen Fleischer aufforderte, sich an die Kollegen zu wenden. Doch er ahnte, dass der Mann die Wahrheit sagte und von dort keine Unterstützung zu erwarten war.
    In der kurzen Zeit, die er mit Sonnenschein zusammenarbeitete, hatte er ihn schätzen gelernt. Wenn Sonnenschein eigenmächtig das Präsidium verließ, riskierte er eine Rüge. Und wenn Leo es ihm erlaubte, verstieß er selbst ebenfalls gegen die Vorschriften.
    »Herr Sonnenschein, wir haben zu tun.« Er zwinkerte ihm zu. »Nehmen Sie Ihren Vater, und kommen Sie mit.«
    Als die drei Männer auf den Flur traten, hatte sich die Ansammlung der Kollegen zerstreut, nur von Malchow stand lässig an die Wand gelehnt da.
    »Sieh an, Herr Wechsler, ein neuer Fall? Seit wann kümmern Sie sich um Ostjuden, die sich ein paar Kratzer geholt haben?«
    Leo spürte, wie sich Sonnenschein neben ihm verkrampfte, und berührte ihn am Arm. »Das geht Sie nichts an, von Malchow.«
    »Ich dachte, Sie hätten mit dieser angeblichen Vergiftung zu tun. Ihre Ermittlungen ziehen sich ja ganz schön hin.«
    Leo kannte von Malchow gut genug, um sich nicht provozieren zu lassen.
    »Ihre Sprüche können Sie sich sparen.«
    »Merkwürdig, wie zuvorkommend der Mann behandelt wird. Seit wann ist die Kripo für solche Bagatellen zuständig? Wenn es nach mir ginge, würde er in Stargard oder Cottbus sitzen.«
    Dort gab es seit einigen Jahren sogenannte Abschiebelager für Ostjuden. Vor allem Stargard hatte einen äußerst schlechten Ruf.
    »Herr von Malchow, ich werde mich über Sie beschweren«, erklärte Leo mit

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