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Die Tote von Harvard

Die Tote von Harvard

Titel: Die Tote von Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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»Und einen sehr trockenen Martini, ja?« sagte Leighton, halb an Kate gewandt.
    »Ja, bitte.« Kate gab sich geschlagen. Sie hätte ihren Martini viel lieber mit einem Schuß Gin gehabt. »Und was um Himmels willen«, sagte sie, als die Kellnerin verschwunden war, »ist ein Sombrero?
    Ich frage dich, obwohl all meine Instinkte mich warnen, es nicht zu tun.«
    »Kahlua und Milch. Sehr nahrhaft und sehr köstlich. Ich habe noch nicht gefrühstückt.«
    »Und zu Mittag ißt du natürlich grundsätzlich nicht.«
    »Natürlich nicht. Bis sechs Uhr abends mache ich Diät, und dann, wenn ich vor Hunger und Stolz auf mich fast umkomme, esse ich ohne Pause bis vier Uhr morgens. Ist das nicht demoralisierend?
    Tante Kate – ich hoffe, du bist nicht beleidigt, aber für mich bist du immer Tante Kate, auch wenn ich versuche, dich nicht so zu nennen
    –, warum hat der liebe Gott mich nicht so groß und schlank und damenhaft gemacht wie dich. Wirklich, die Gene sind einfach pervers.«
    »Ich bin nicht damenhaft.«
    »Na ja, im Augenblick ist dir ein bißchen heiß, und du bist aufgeregt, kein Wunder! Aber meist bist du cool und elegant und intellektuell und mein absolut einziges Vorbild. Ich habe überall verkündet, daß ich Professorin für englische Literatur werde und wunderbare Vorlesungen über Poesie halten will. Na, wie es aussieht, werde ich 35

    wohl Schauspielerin, aber nur, weil es für Englischprofessoren keine Jobs gibt. Mein Vorbild bist du trotzdem.«
    Die Ankunft der Drinks (Kates war überraschend gut) befreite Kate von einer Antwort auf dieses Sperrfeuer. Sie zündete sich eine Zigarette an, und die vereinte Wirkung von Nikotin und Alkohol machte es leichter, die Tantenrolle zu spielen. »Im wievielten Semester bist du eigentlich?« fragte sie.
    »Im zwölften«, sagte Leighton. »Aber ich bin zwei Jahre ausge-stiegen, hab bei einer Schauspieltruppe mitgemacht und mich auch sonst ein bißchen umgesehen. Eigentlich hätte ich vor zwei Jahren Examen machen müssen. Mein Hauptfach ist Griechisch. Ich wohne im Südhaus. Die Ausbildung in Harvard stinkt zum Himmel, aber ich hoffe, der Name Harvard hilft mir bei der Jobsuche, und die meiste Zeit verbringe ich im Loeb-Theater – damit sind hoffentlich die üblichen Fragen erledigt. Halte mich bitte nicht für unhöflich, aber ich rede lieber über Wichtigeres. Findest du nicht auch, daß dieser Austausch von Fakten ein wenig lächerlich und langweilig ist? Wenn nicht, frag weiter.«
    Kate fand das allerdings auch, aber sie hätte es ebenso lächerlich gefunden, in dieser Situation nicht nach dem Studium ihrer Nichte zu fragen. Sie war froh, daß ihr Zeitgefühl noch stimmte und ihre Nichte weder Examen gemacht hatte noch durchgefallen war, ohne daß sie als Tante etwas davon mitbekommen hätte.
    »Warum Griechisch?« fragte Kate.
    »Ich hab schon im Theban damit angefangen. Griechisch gehört zu den Fächern, bei denen man achtundvierzig Stunden vor der Prü-
    fung alles auswendig lernen kann. Auf diese Weise schaffe ich die Zwischenprüfungen und kann mich auf das konzentrieren, was mir Spaß macht, nämlich Theaterspielen und Stückeschreiben. Ich bin in Harvards berühmter Dramatiker-Klasse.«
    »Berühmt wegen der berühmten Dramatiker, die daraus hervor-gegangen sind?«
    »Nein, berühmt, jedenfalls für mich, wegen des Professors, der den Kurs hält. Er ist der netteste, bescheidenste, freundlichste Mensch auf Erden. Der totale Harvard-Antityp. Wir treffen uns immer im Warren-Haus, dort, wo diese Professorin sich besoffen in die Badewanne gelegt hat. Kate! Bist du deswegen hier?«
    »Ich nehme an, jeder weiß von dem kleinen Schabernack?« fragte Kate traurig.
    »Ja. Aber wenn du es genau wissen willst, seitdem ist die Dame 36

    allen sympathischer geworden. Wo wir gerade über zickige Gouver-nanten sprechen…«
    »Was wir, soweit ich weiß, nicht taten.«
    »Verzeih. Ich vergesse immer, daß ich mich bei dir etwas respektvoller ausdrücken muß…«
    »Nicht respektvoller, etwas gediegener vielleicht. Nein, gediegener auch nicht. Drück dich einfach in ganz normalem Englisch aus, so wie du es am Theban gelernt hast, das paßt für alle öffentlichen Anlässe«, erklärte Kate (beide hatten, jede zu ihrer Zeit, dieselbe Schule besucht). »Mit deiner Anspielung wolltest du wohl sagen, daß Frau Professor Mandelbaum ein wenig zugeknöpft ist.«
    »Das muß man dir lassen, du drückst dich gewählt aus. Kann ich mir noch einen Sombrero bestellen? In zehn

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