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Die Tote von Harvard

Die Tote von Harvard

Titel: Die Tote von Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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Gleichberechtigung, meine Liebe. Die Frauen der Pedelle haben seit je – wie die Pfarrers- und Politiker-frauen – doppelt so viel wie ihre Männer gearbeitet, die immer Wichtigeres zu tun hatten, bekamen aber nie Anerkennung, geschweige denn Geld. Jetzt haben Mann und Frau gleichen Status, und manchmal, wenn auch selten, ist es die Frau, die den Posten annimmt und ihren Mann mitbringt. Ich hab dir übrigens deinen Fakultätsausweis mitgebracht.« Sylvia zauberte ein Plastikviereck hervor, das Kate Zugang zu jedem Bereich in Harvard verschaffte, von den Bibliotheken bis zu den Squashplätzen.
    »Sylvia, dein Organisationstalent ist ja zum Fürchten. Oder, wie Leighton sagen würde…«
    »Wer ist Leighton?«
    »Meine Nichte.«
    »Kate. Vielleicht hast du hier die größte Chance deines Lebens, etwas für die Sache der Frauen zu tun – und für Janet Mandelbaum –
    und gleichzeitig Harvard einen Arschtritt zu versetzen, den es nicht vergessen wird, wie sich Leighton wahrscheinlich ausdrücken wür-de.«
    Später, als sie mit Sylvia die Treppe zum ersten Stock hinaufstieg, winkte der junge Mann am Empfangstisch ihr zu.
    »Frau Professor Fansler?«
    Kate nickte.
    »Dies hier wurde für Sie abgegeben«, sagte er. »Es fällt mir nicht leicht, mich davon zu trennen.«
    »Dies hier« war ein Strauß wunderbar duftender, weißrot ge-sprenkelter Nelken. Eine Karte war beigefügt. Kate las sie, während der junge Mann und Sylvia ihr zusahen. Von einer dankbaren Nichte.
    Paß auf, daß du in keiner Badewanne landest.
    »Wie’s aussieht«, sagte Kate halb zu sich selbst, »braucht man auch für Blumen kein Geld.« Nachdem sie sich von Sylvia verabschiedet hatte, ging sie zum Fahrstuhl und dachte daran, wie gut die Nelken ihrem tristen Zimmer tun würden. Blumen – und eine Nuß, dachte Kate. Nicht schlecht, wenn man bedachte, daß sie in Harvard war.
    39

Vier
    Frauen, die sich von einem Freund oder Bekannten bedrängt fühlen, scheuen sich oft, um Hilfe zu bitten. Scheu du dich nicht.

    University Health Service

    Am nächsten Abend nippte Kate in Ferdinand’s Restaurant an einem kleineren und insgesamt damenhafteren mit Beefeater Gin ge-mixten Martini und sah zum ersten Mal nach mindestens zehn Jahren Janet Mandelbaum wieder ins Gesicht. Sie plauderten. Natürlich plauderten sie, was sonst hätten Leute tun sollen, die sich seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen hatten und deren Leben in verschiedene Richtungen gegangen war? Und während sie plauderten, wurde Kate schlagartig klar, daß sie Janet nie gemocht hatte, genausowenig wie Janet wahrscheinlich sie. Kate hatte jedoch immer Janets wissenschaftliche Fähigkeiten ehrlich bewundert. Janet dagegen hielt mit der typischen Arroganz jener, die sich mit englischer Literatur früherer Jahrhunderte befassen, Kates Arbeit für trivial. Romane las man. Kein ernstzunehmender Mensch befaßte sich wissenschaftlich damit. Janet war in erster Linie ernsthaft. Und schön natürlich. Ihre Ernsthaftigkeit war unverändert, ihre Schönheit hatte sich in etwas verwandelt, was man am besten mit gepflegtem, sorgfältig frisiertem gutem Aussehen umschreiben konnte. Ziemlich ratlos fragte sich Kate, was es zu sagen gab, wenn ihnen der Plauderstoff ausging.
    Daß Janet in Kate so etwas wie eine Freundin sah, zeigte zweifellos, wie einsam und isoliert sie war. Aber in der Jugend geknüpfte Bekanntschaften, mochten sie noch so oberflächlich und zufällig sein, „hinterließen vielleicht einen stärkeren Eindruck als Begegnungen im späteren Leben. Trotzdem, Kate wäre nie auf die Idee gekommen, sich an Janet zu wenden; oder vielleicht wäre es ehrlicher, zu sagen: Kate konnte sich im Augenblick keine Situation vorstellen, in der Janets Unterstützung für sie eine Hilfe sein könnte.
    Janet wartete, bis Kate die Speisekarte studiert hatte. Sie selbst warf keinen Blick hinein und kam statt dessen auf Sylvias Abwesen-heit zu sprechen. »Wahrscheinlich war sie der Meinung, wir zwei sollten uns allein unterhalten«, sagte sie. »Das tut mir leid für dich.
    Ich bin im Augenblick nicht sehr amüsant.«
    »Es gibt Leute, die meinen, du müßtest jubeln und triumphieren.
    Schließlich ist es eine ganz schöne Leistung, festangestellte Profes-40

    sorin in Harvard zu sein. Du hast das höchste erreicht, was auf dem akademischen Jahrmarkt der Eitelkeiten zu haben ist, jedenfalls für die Augen der Welt.«
    »Das habe ich am Anfang auch gedacht. Aber alle Frauen hier –
    die Studentinnen,

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