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Die Tote von Harvard

Die Tote von Harvard

Titel: Die Tote von Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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wog alles auf. Flüsse hatten etwas Magisches an sich. Kate beschloß, von Alkohol auf Kaffee umzusteigen, entschuldigte sich bei Janet und ging in die Küche. Gott hilf, laß es wirklich ein Windei sein.
    Als sie zurückkehrte, hatte Janet sich etwas beruhigt. Sie entschuldigte sich nicht, wofür Kate dankbar war. Im Gegenteil, sie wirkte eher vorwurfsvoll. »Ich weiß eigentlich nicht, warum ich dich 42

    sehen wollte«, sagte sie. »Als wir studierten, waren wir in derselben Clique, und ich dachte, du würdest die Dinge so sehen wie ich. Du warst früher so…«
    »Establishment?«
    »Ja, so etwa. Ich kann einfach nicht fassen, daß du an all diesen Unsinn mit der weiblichen Wissenschaft glaubst. Es spricht ja auch niemand von männlicher Wissenschaft.« Janet schien sich in den nächsten Gefühlsausbruch hineinzusteigern. Kate beschloß, fest zu bleiben.
    »Janet, ich glaube, wir kommen weiter, wenn wir versuchen, nicht über Feminismus zu diskutieren. Das heißt, ich tue es nur zu gern und stundenlang, aber nicht heute abend. Jetzt erzähle mir lieber, was ich deiner Meinung nach hätte für dich tun können, wäre ich die Person, für die du mich gehalten hast.«
    »Ehe ich berufen wurde, haben einige der Professoren hier ein Abendessen für mich gegeben. Man hieß mich willkommen, und alle waren sehr freundlich und zuvorkommend. Aber seit ich mit der Arbeit angefangen habe, fühle ich mich isoliert. O. K. man kann natürlich viel in Harvard unternehmen. Jeden Abend gibt’s irgendeine interessante Veranstaltung. Außerdem bin ich mit Arbeit einge-deckt, und junge Frauen aus den anderen Fakultäten laden mich ab und zu ein, aber…«
    »…nicht die Männer. Sie grüßen dich höflich, wenn sie an dir vo-rübergehen, aber sie sind nicht das, was man freundlich nennt.«
    »Genau so. Und dann erhielt ich eine Einladung mit dem Brief-kopf der Fakultät zu einer Party im Warren-Haus, du weißt, dieses Haus mit dem verglasten Balkon.«
    »Ich kenne es«, sagte Kate. »Ein hübscher Platz für eine Party.«
    Nur schade, dachte Kate insgeheim, daß Janet dem Treiben nicht von der Glasveranda aus zugesehen hatte, so wie der ursprüngliche Besitzer.
    »Als ich dort ankam, sah ich nur junge Leute, beiden Geschlechts, und alle festlich gekleidet. Ich dachte, die älteren Professoren kämen später. Woher sollte ich die Sitten in Harvard kennen?
    Ein angenehmer junger Mann bot mir einen Drink an, und das ist das letzte, woran ich mich erinnere.«
    »Bis?«
    »Bis ich in der vollen Badewanne aufwachte und diese Frau…
    diese… sagte: ›Wer zum Teufel sind Sie denn?‹ Dann kamen mehrere junge Männer herein, sahen uns und einer sagte: ›Ah, unsere Pro-43

    fessor Mandelbaum, sie also auch!‹ Er sagte es so, als wären alle Frauen, die in Harvard lehren…«
    »Lesben?« sagte Kate barsch.
    »Ja.« Janet brach wieder in Tränen aus.
    »Janet. Trifft dich das wirklich noch? Du unterrichtest seit Jahren, zwar nicht in Harvard, aber an einer anderen großen Universität.
    Was glaubst du denn, wie Männer über Frauen wie uns reden, noch dazu, wenn eine unverheiratet ist? Als wir Examen machten, waren wir frigide, und jetzt sind wir Lesbierinnen. Das kann dir doch nichts mehr ausmachen!«
    »Es macht mir aber etwas aus. Ich bring es noch nicht einmal ü-
    ber mich, diese Worte zu benutzen.«
    »Genau das ist dein schwacher Punkt, und mit dem rechnen sie, meine Liebe.«
    »Ich finde diese Frauen mit Latzhosen und Stiefeln entsetzlich!«
    »Ich wage aber zu behaupten«, argumentierte Kate trotz aller guten Vorsätze mit unverhohlener Boshaftigkeit, »daß du schwule Männer recht gern magst: Sie sind so liebenswürdig, so charmant und so gut als Begleiter zu gebrauchen. O Janet, setz dich. Tut mir leid. Bitte setz dich wieder hin. Vergessen wir deine und meine Ansichten. Eins ist jedenfalls klar: Es war eine Falle. Man hat nicht nur dafür gesorgt, daß du betrunken und triefnaß gefunden wurdest, sondern auch noch dafür, daß eine radikale Feministin, die in einer Kommune lebt, dir Gesellschaft leistet. Sie haben alle Alarmknöpfe auf einmal gedrückt. Bleibt natürlich die Frage, wer war es? Und warum?«
    »Das Warum liegt doch auf der Hand – um mich in Verruf zu bringen.«
    »Schon, meine Liebe, aber warum will man dich in Verruf bringen? Steckt ein persönlicher Groll dahinter, ein Groll gegen eine Frau in Harvard – gegen alle Frauen, die eine Professur an einer wichtigen Universität haben –, oder ein Groll gegen

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